D r i t t b e s c h w e r d e g e g e n a r z n e i m i t t e l r e c h t l i c h e Z u l a s s u n g e n
Drittbeschwerde gegen arzneimittelrechtliche Zulassungen
nung über die Arzneimittel (VAM; SR 812.212.21), derArzneimittel-Zulassungsverordnung (AMZV; SR 812.212. 22) und in der Verordnung über die vereinfachte Zulassungund Meldepflicht von Arzneimittel (VAZV; SR 812.212.23)geregelt.
Am Ende des Zulassungsverfahrens steht die Zulassungs-
verfügung. Dieser Aufsatz untersucht, welche RechtsmittelDritte, d.h. Personen, die nicht Verfügungsadressaten sind,
gegen die Zulassungsverfügung ergreifen können. Dazu ist
es notwendig, das Zulassungsverfahren in groben Zügen
A. EinleitungB. Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic
Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic
1. Ordentliches Zulassungsverfahren2. Vereinfachte Zulassungsverfahren
Das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic ("Swiss-
medic") ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes mit
eigener Rechtspersönlichkeit (Art. 68 Abs. 2 HMG). Es
untersteht dem Eidgenössischen Departement des Innern1.
Swissmedic wurde durch Zusammenlegung der Fach-
einheit Heilmittel des Bundesamtes für Gesundheit mit der
Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) geschaf-
F. Beschwerde gegen die Zulassungsverfügung
fen2. Die Aufgaben von Swissmedic werden durch Gesetz,
Verordnung, Leistungsauftrag des Bundesrates und Leis-
tungsvereinbarung mit dem EDI geregelt (Art. 69 Abs. 1
und Art. 70 HMG). Swissmedic beschäftigt rund 280 Mit-
Mit Ausnahme der Betriebsbewilligung für die Abgabe4
H. Rechtsmittel gegen den Beschwerdeentscheid
von Arzneimitteln, die von den Kantonen erteilt wird, wer-
den alle für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln not-wendigen Bewilligungen von Swissmedic erteilt5. 2003
Einleitung
Wer in der Schweiz ein verwendungsfertiges Arzneimittelin Verkehr bringen will, benötigt eine Bewilligung (Art. 9Abs. 1 Heilmittelgesetz, HMG, SR 812.21). Zu den Arz-
Art. 16a Abs. 1 Organisationsverordnung des Eidgenössischen
neimitteln im Sinne des Heilmittelgesetzes gehören insbe-
Departements des Innern, SR 171.212.1.
sondere auch Präparate der Alternativ- und Komplemen-
Botschaft zum Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizi-
tärmedizin wie homöopathische, anthroposophische oder
nalprodukte vom 1.3.1999, BBl 1999, 3453 ff., 3552 (im Fol-
traditionelle chinesische Arzneimittel. Der Gesuchsteller
genden "Botschaft HMG, Seitenzahl").
muss nachweisen, dass das verwendungsfertige Arzneimit-
Geschäftsbericht Swissmedic 2003, 8, www.swissmedic.ch/
tel qualitativ hochstehend, sicher und wirksam ist, dass er
files/pdf/Swissmedic_GB_03.pdf (besucht am 30.5.2004).
über eine Herstellungs-, Einfuhr- oder Grosshandelsbewil-
"Abgabe" umfasst die entgeltliche oder unentgeltliche Übertra-
ligung verfügt und in der Schweiz domiziliert ist (Art. 10
gung oder Überlassung eines verwendungsfertigen Arzneimit-
HMG). Für die Erteilung von Zulassungsbewilligungen für
tels für die Verwendung durch den Erwerber oder die Erwer-
verwendungsfertige Arzneimittel ist seit dem Inkrafttreten
berin sowie für die Anwendung an Drittpersonen, Art. 4 lit. fHMG.
der neuen Heilmittelgesetzgebung am 1. Januar 2004 aus-
Für die Ausnahmen von der Bewilligungspflicht siehe PAUL
schliesslich das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissme-
RICHLI, Regelungsschwerpunkte des Heilmittelgesetzes, unter
besonderer Berücksichtigung formeller Fragen, in: THOMAS
Das Zulassungsverfahren ist im Heilmittelgesetz und
EICHENBERGER/TOMAS POLEDNA, Das neue Heilmittelgesetz,
den begleitenden Verordnungen, insbesondere der Verord-
erteilte Swissmedic 419 neue Zulassungen für Arzneimittel,
noch die Prüfung eines Arzneimittelmusters sowie die Be-
davon 29 für Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff (New
reinigung der Texte der Arzneimittelfach- und Patienten-
Active Substance, NAS) sowie 533 Betriebsbewilligun-
Bei einem abschlägigen Vorbescheid erhält die Gesuch-
Die Herstellung von Arzneimitteln bedarf ebenfalls einer
stellerin eine Frist von 30 Tagen, um sich zu entscheiden,
Bewilligung von Swissmedic; ausgenommen sind hier die
ob sie weitere Unterlagen einreichen oder eine anfechtbare
Bewilligung zur Herstellung von Arzneimitteln gemäss
Verfügung verlangen will. Entscheidet sie sich für das Ein-
ärztlicher Vorschrift für eine bestimmte Person (formula
reichen weiterer Unterlagen ("2nd Loop"), erhält sie eine
magistralis) und durch eine Apotheke nach eigenem oder
Frist von 120 Tagen zur Beibringung14. Oft findet auch eine
anerkanntem Formularium (formula officinalis) in kleinen
Anhörung statt15. Gegen den abweisenden Vorbescheid sind
Mengen für die eigene Kundschaft (Art. 9 Abs. 2 HMG),
die von den Kantonen erteilt wird (Art. 9 Abs. 2 HMG;
Das Zulassungsvefahren wird durch die Zulassungs-
Art. 6 Verordnung über die Bewilligungen im Arzneimittel-
verfügung (Art. 16 HMG) oder definitive Abweisung des
Zulassungsgesuchs abgeschlossen. Die Zulassung kann mit Auflagen und Bedingungen verknüpft werden (Art. 16Abs. 1 HMG). Die Zulassung gilt grundsätzlich für fünfJahre, kann aber unter Umständen vorzeitig widerrufen
Zulassungsverfahren
Die Gesuchstellerin muss im Zulassungsverfahren nachwei-sen, dass das Arzneimittel, das sie in der Schweiz vertreiben
Vereinfachte Zulassungsverfahren
will, qualitativ hochstehend, sicher und wirksam ist (Art. 10
Zulassungsgesuche für Arzneimittel mit bekannten Wirk-
Abs. 1 lit. a HMG). Gesetz und Verordnung unterscheiden
stoffen, Arzneimittelkopien ("Co-Marketing Arzneimittel"),
zwischen ordentlichem, vereinfachten und beschleunigtem
Arzneimittel der Komplementärmedizin, Hausspezialitäten,
Zulassungsverfahren (Art. 14 HMG, Art. 5 VAM).
Spitalpräparate, wichtige Arzneimittel für seltene, schwer-wiegende Krankheiten ("orphan drugs") und Parallelimporte
Ordentliches Zulassungsverfahren
Das ordentliche Zulassungsverfahren findet Anwendungbei Zulassungsgesuchen für Arzneimittel mit neuen aktivenSubstanzen. Neuentwicklungen auf der Basis eines bereits
6 Geschäftsbericht Swissmedic 2003, 36.
zugelassenen Wirkstoffes (z.B. neue Darreichungsform,
7 Zur Abgrenzung der kantonalen und eidgenössischen Kompe-
neue Freigabesysteme, neue Verabreichungswege, neue
tenzen siehe BGer, Urteil 2P.38/2001 vom 30.8.2002, Asso-
Dosierungen oder Indikationen) werden je nach Art und
ciation cantonale des droguistes friburgeois contre Conseil
Ausmass der Neuerungen im ordentlichen oder vereinfach-
d'Etat du canton de Fribourg.
8 Siehe Anleitung zum Einreichen von Zulassungsgesuchen
Die Gesuchstellerin muss mittels analytischer, chemi-
für Arzneimittel der Humanmedizin mit bekannten Wirkstof-
scher, pharmazeutischer, pharmakologischer, toxikologi-
fen, Stand 3.12.2002 ("Generika-Anleitung"); www.swiss
scher und klinischer Prüfungen die Sicherheit und Wirk-
medic.ch/files/pdf/Anleitung_Gesuch_Generika.pdf (besucht
samkeit des Arzneimittels nachweisen (Art. 11 Abs. 1 lit. g
9 "NAS Anleitung", www.swissmedic.ch/files/pdf/Anleitung_
und h HMG, Art. 3, 4 und 5 AMZV). Details sind der von
Gesuch_NAS.pdf (besucht am 6.6.2004).
Swissmedic herausgegebenen "Anleitung zum Einreichen
10 Siehe Mitteilung Swissmedic vom 1.6.2004 "Anforderun-
von Zulassungsgesuchen für Arzneimittel der Humanmedi-
gen an das CTD: Inhaltsverzeichnis und Referenzierung",
zin mit neuen aktiven Substanzen" zu entnehmen9.
www.swissmedic.ch -> Rechte und Normen -> Allgemeine
Formell ist das Gesuch entsprechend dem Format des
Rechtsgrundlagen (besucht am 6.6.2004).
Common Technical Document ("CTD") der International
11 Art. 13 HMG; Entscheid der Eidgenössischen Rekurskom-
Conference on Harmonisation of Technical Requirements
mission für Heilmittel vom 13.9.2002 i.S. P. AG, E. 9h,VPB
for Registration of Pharmaceutical for Human Use, mit
geringfügigen Anpassungen, einzureichen10. Materiell ist
12 Für Details siehe Mitteilung Swissmedic zum zweistufigen
Swissmedic an ausländische Zulassungsentscheide nicht
Entscheidungsverfahren vom 30.1.2002, www.swissmedic.ch-> Marktzutritt -> Humanarzneimittel -> wichtige Informatio-
gebunden, sondern entscheidet autonom; positive Zulas-
sungsentscheide aus Staaten mit vergleichbarer Arzneimit-
13 Art. 6 VAM, Erläuternder Bericht zur Verordnung über die
telkontrolle werden aber als Indizien für die Sicherheit und
Arzneimittel, Entwurf vom September 2000, 4, www.bag.
Wirksamkeit des Arzneimittels berücksichtigt11.
admin.ch/heilmitt/gesetz/verord/d/vam_erl.pdf (besucht am
Das Zulassungsverfahren erfolgt in zwei Stufen12. Nach
Abschluss der medizinisch-wissenschaftlichen Begutach-
14 Mitteilung Swissmedic zum zweistufigen Entscheidungsver-
tung wird der Gesuchstellerin das Ergebnis in einem Vor-
bescheid mitgeteilt13. Ausstehend sind zu diesem Zeitpunkt
15 Zum Anhörungsrecht im Verfahren vor der Swissmedic siehe
D r i t t b e s c h w e r d e g e g e n a r z n e i m i t t e l r e c h t l i c h e Z u l a s s u n g e n
werden in vereinfachten Zulassungserfahren – das Gesetz
waltungsverordnungen, die sich an Verwaltungsorgane rich-
verwendet den Plural – geprüft (Art. 14 Abs. 2 HMG). Da
ten und nicht unmittelbar Rechte und Pflichten von Priva-
das ordentliche Zulassungsverfahren sehr aufwendig ist,
ten begründen. Da die Anleitungen die Anforderungen an
rechtfertigt es sich, dort auf gewisse Unterlagen und Nach-
die Zulassungsgesuche Privater konkretisieren und fest-
weise zu verzichten, wo die Erfüllung der Zulassungskri-
halten, dass Zulassungsgesuche, die den Bestimmungen
terien der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit auf einfa-
ganz oder teilweise nicht entsprechen, zurückgewiesen wer-
den25, erscheint diese Ansicht zumindest diskutabel.
Bei den meisten Arzneimitteln mit bekannten Wirkstof-
Die Zulassung von Parallelimporten war in der parlamen-
fen ("Generika") sind die Daten zu Wirksamkeit und
tarischen Beratung des Heilmittelgesetzes heiss umstritten26.
Sicherheit schon vorhanden. Der Zweitanmelder kann sich
Das Gesetz lässt sie nun zu, wenn das Arzneimittel aus
unter bestimmten Voraussetzungen auf diese Daten berufen
einem Land mit einem gleichwertigen Zulassungssystem
und muss keine eigenen Studien einreichen (zu den Voraus-
stammt, das Arzneimittel den gleichen Anforderungen ge-
setzungen siehe hinten C 4). Er muss jedoch die Bioäqui-
nügt wie das in der Schweiz bereits zugelassene Arzneimit-
valenz seines Präparates mit dem in der Schweiz zugelas-
tel und der Patentschutz für das in der Schweiz bereits zu-
senen17 Originalpräparat nachweisen (Art. 6 VAZV). Unter
gelassene Arzneimittel abgelaufen ist (Art. 14 Abs. 2 und 3
Bioäquivalenz versteht man die nach anerkannten Methoden
HMG, siehe auch hinten, ). Als Länder mit gleichwer-
ermittelten, innerhalb von Toleranzgrenzen deckungsgleich
tigem Zulassungssystem sind die EU-Mitgliedstaaten,
verlaufenden Plasmaspiegel-Kurven zweier Arzneimittel18.
EFTA-EWR Länder, Australien, Japan, Kanada und USA
Nicht mit den Generika verwechselt werden dürfen Arz-
anerkannt27. In der Praxis haben Parallelimporte bisher eine
neimittelkopien. Während echte Generika mit dem Origi-
nalpräparat austauschbar sind, sind Arzneimittelkopien in
Als "orphan drugs" schliesslich werden Arzneimittel für
jeder Hinsicht identisch mit dem Basispräparat19. Sie wer-
seltene Krankheiten bezeichnet, bei denen es sich für die
den von der gleichen Herstellerin nach demselben Herstel-
Hersteller aufgrund des beschränkten Abnehmerkreises
lungsverfahren und in derselben qualitativen und quantitati-
nicht lohnt, die für das ordentliche Marktzulassungsverfah-
ven Zusammensetzung der Wirk- und Hilfsstoffe produziert
ren notwendigen teuren klinischen Studien durchzuführen29.
und im gleichen Primärpackmittel abgepackt, aber untereiner anderen Bezeichnung oder Marke und in der Regelvon einer anderen Zulassungsinhaberin in Verkehr gebrachtals das Basispräparat (Art. 2 lit. c VAZV)20. Das Co-Marke-ting von Arzneimitteln erlaubt der Herstellerin insbesondere
17 Unter gewissen Voraussetzungen genügt es, wenn die Bioäqui-
valenz mit einem in der EU, EFTA, Australien, Japan, Kanada
Unter den Begriff der Komplementärmedizin fallen zahl-
oder USA zugelassenen Originalpräparat nachgewiesen wird;
reiche Arzneimittel, so z.B. der Phytotherapie, Homöopa-
siehe Generika-Anleitung, 5 und Anhang.
thie, Oligotherapie (spezielle Therapie mit Spurenelemen-
ten), der anthroposophisch orientierten oder der asiatischen
19 Siehe "Erläuternder Bericht zur Verordnung des Schweizeri-
(chinesischen, ayurvedischen) Medizin22. Nicht bei allen
schen Heilmittelinstituts über die vereinfachte Zulassung von
dieser Arzneimittel rechtfertigt sich der Verzicht auf ein
Arzneimitteln", Entwurf Dezember 2000, www.bag.admin.ch/
ordentliches Zulassungsverfahren; es ist immer im Einzel-
heilmitt/gesetz/verord/d/vvza_erl.pdf (besucht am 6.6.2004),
fall aufgrund der Zusammensetzung und Indikationen des
Arzneimittels zu prüfen, ob der Nachweis der Qualität,
20 Erläuternder Bericht zur Verordnung des Schweizerischen
Sicherheit und Wirksamkeit auf einfachere Weise erbracht
Heilmittelinstituts über die vereinfachte Zulassung von Arz-neimitteln", Entwurf Dezember 2000, 4.
werden kann. Während homöopathische Arzneimittel in
21 Zur Strategie der Preisdiskriminierung siehe HAL R. VARIAN,
hoher Verdünnung (Potenz) keine Moleküle des Wirkstoffes
Grundzüge der Mikroökonomie, 5. A., München 2001, 420 ff.
mehr enthalten und deshalb als sicher betrachtet werden,
gilt dasselbe nicht notwendigerweise für phytotherapeuti-
23 Anleitung zum Einreichen von Zulassungsgesuchen für ho-
sche Arzneimittel, die Wirkstoffe enthalten, die Wirkungen
möopathische und anthroposophische Arzneimittel der Hu-
und Nebenwirkungen verursachen können. Werden homöo-
manmedizin vom 31.1.2002, www.swissmedic.ch/files/pdf/
pathische Arzneimittel für eine bestimmte Indikation ange-
Anleitung_Gesuch_Homoeopathika_Anthroposophika.pdf
priesen, so muss zwar nicht die Sicherheit, aber die Wirk-
24 Anleitung zum Einreichen von Zulassungsgesuchen für pflanz-
Die Anforderungen an Zulassungsgesuche für homöopa-
liche Arzneimittel der Humanmedizin vom 20.9.2004 (Phyto-Anleitung), www.swissmedic.ch/files/pdf/Phyto-Anleitung_
thische und anthroposophische Arzneimittel werden in einer
Anleitung von Swissmedic konkretisiert23. Die Anleitung
25 Phyto-Anleitung, Vorbemerkungen, letzter Absatz.
zur Einreichung von Zulassungsgesuchen für pflanzliche
26 Siehe www.parlament.ch/afs/data/d/rb/d_rb_19990020.htm
Arzneimittel der Humanmedizin befand sich im Zeitpunkt
der Redaktion dieses Aufsatzes noch im Entwurfsstadium,
publiziert am 20. September24 2004. Nach Ansicht von
28 Geschäftsbericht Swissmedic 2003, 21.
Swissmedic handelt es sich bei diesen Anleitungen um Ver-
Sie sind daher oft gar nicht erhältlich. Gemäss der EU-Ver-
cher Anreiz, die Prüfungen durchzuführen, wenn sich Dritte
ordnung zu den orphan drugs gilt eine Krankheit dann als
auf die durch einen anderen erarbeiteten Daten berufen
selten, wenn sie mit einer Häufigkeit von weniger als 5 Fäl-
können, ohne sich an den Kosten der Datenbeschaffung
Um einen Anreiz für die Entwicklung solcher Arzneimit-
Die Bestimmungen zum Erstanmelderschutz suchen einen
tel zu schaffen, erhält der Erstanmelder in der EU während
Ausgleich dieser widersprechenden Interessen zu schaffen,
zehn Jahren ein Alleinvertriebsrecht für seine orphan drug31.
indem sie dem Zweitanmelder während einer gewissen
In der Schweiz wurde der Begriff der "seltenen Krankheit"
Dauer verbieten, sich ohne Einwilligung des Erstanmelders
im Sinne des Heilmittelgesetzes bisher nicht näher definiert,
auf dessen im Zulassungsverfahren eingereichte Unterlagen
doch beabsichtigt Swissmedic, die Inzidenzzahlen der EU
zu berufen. Dass es dadurch unter Umständen länger dau-
zu verwenden32. Ein Alleinvertriebsrecht ist gesetzlich nicht
ert, bis ein preisgünstigeres Generikum auf den Markt ge-
vorgesehen; es kann sich faktisch aus dem Erstanmelder-
langt, wird bewusst in Kauf genommen37. Die Schweiz ist
schutz ergeben. Auf Gesuch hin können dem Gesuchsteller
aufgrund des Abkommens der Welthandelsorganisation über
die Gebühren für die Zulassung der Orphan Drug erlassen
handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigen-
werden (vgl. Art. 3 Abs. 1 Heilmittel-Gebührenverordnung,
tum (TRIPS) verpflichtet, vertrauliche Daten, die ein Erst-
anmelder im Rahmen der Zulassung vorzulegen hat, vorunlauterer gewerblicher Verwendung zu schützen38. Beschleunigtes Zulassungsverfahren
Das Gesuch um Zulassung eines mit einem bereits zuge-
lassenen Arzneimittel (Originalpräparat) im Wesentlichen
Das beschleunigte Zulassungsverfahren ermöglicht eine
gleichen Arzneimittel kann sich nur dann auf die Ergeb-
rasche Verfügbarkeit von wichtigen innovativen Arznei-
nisse von dessen pharmakologischen, toxikologischen und
mitteln gegen bislang unheilbare Krankheiten33.
klinischen Prüfungen abstützen, wenn die Gesuchstellerin
Die Gesuchstellerin kann ein entsprechendes Gesuch bei
für das Originalpräparat schriftlich zustimmt oder seit der
Swissmedic einreichen; Voraussetzung für die Durch-
Zulassung des Originalpräparats zehn Jahre vergangen sind
führung des beschleunigten Verfahrens ist, dass es sich um
(Art. 12 Abs. 1 und 2 HMG, Art. 17 Abs. 1 VAM)39. Für neue
eine erfolgversprechende Therapie gegen eine schwere,
Indikationen, Verabreichungswege, Darreichungsformen
invalidisierende oder lebensbedrohende Krankheit handelt,
oder Dosierungen des Originalpräparats legt der Bundesrat
dass keine oder nur unbefriedigende Behandlungsmöglich-
die angemessene Schutzdauer fest (Art. 12 Abs. 2 HMG).
keiten mit zugelassenen Arzneimitteln vorhanden sind und
Mit dieser flexiblen Lösung soll insbesondere die rechtzei-
dass vom Einsatz des neuen Arzneimittels ein hoher thera-
tige Anpassung an EU-Recht zum Erstanmelderschutz er-
peutischer Nutzen erwartet wird (Art. 5 VAM).
Die Gesuchstellerin stellt vor Einreichung des Zulas-
sungsgesuchs ein begründetes Gesuch um beschleunigtePrüfung, Swissmedic entscheidet binnen vier Wochen überGutheissung oder Abweisung34. Gegen den abweisendenEntscheid ist die Beschwerde an die Rekurskommissionfür Heilmittel zulässig.
30 Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments
Bei Gutheissung des Gesuchs um beschleunigte Prüfung
und des Rates vom 16.12.1999 über Arzneimittel für seltene
werden Details und Termin der Einreichung des Zulas-
sungsgesuchs zwischen Swissmedic und der Gesuchstelle-
31 Verordnung (EG) Nr. 141/2000, Art. 8 ("Marktexlusivitäts-
rin abgesprochen. Im Normalfall kann die Gesuchstellerin
innerhalb von 100 bis 130 Tagen nach Einreichung des Zu-
32 www.swissmedic.ch -> Fragen und Antworten zur Zulassung
von Arzneimitteln -> Die Einführung eines Orphan Status in
lassungsgesuches mit dem Vorbescheid rechnen; die Zulas-
sungsverfügung ergeht nach Bereinigung der Arzneimit-
33 Erläuternder Bericht zur Verordnung über die Arzneimittel,
telinformation ohne experimentelle Musterprüfung durch
34 Erläuterungen zum beschleunigten Zulassungsverfahren,
Stand 23.4.2003, 4, www.swissmedic.ch/files/pdf/Das_be
Erstanmelderschutz
schleunigte_Zulassungsverfahren.pdf (besucht am 8.6.2004).
35 Erläuterungen zum beschleunigten Zulassungsverfahren, 5.
Die für die Zulassung eines Arzneimittels mit einem neuen
36 (Hier evtl. Hinweis Spieltheorie).
Wirkstoff benötigten pharmazeutischen, pharmakologi-
schen, toxikologischen und klinischen Prüfungen sind sehr
38 Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an
aufwendig und teuer. Insbesondere die Kosten für die klini-
geistigem Eigentum (SR 0.632.20 [Anhang 1.C zum GATT/
schen Prüfungen können sehr hoch sein.
39 Das Gesetz regelt den Beginn der zehnjährigen Frist nicht.
Es ist deshalb einerseits ineffizient, wenn bei der Zulas-
Die Arzneimittelverordnung präzisiert jedoch, dass zehn Jahre
sung eines Arzneimittels mit einem bekannten Wirkstoff,
seit der Zulassung vergangen sein müssen, Art. 17 Abs. 1
für den die entsprechenden Daten bereits vorliegen, diese
Studien wiederholt werden müssen. Andererseits fehlt jegli-
D r i t t b e s c h w e r d e g e g e n a r z n e i m i t t e l r e c h t l i c h e Z u l a s s u n g e n
Der zehnjährige Erstanmelderschutz wird nur gewährt,
Einzige Ausnahme von diesem Grundsatz ist das Verfah-
wenn es sich beim Originalpräparat um ein Arzneimittel
ren zur vereinfachten Zulassung von Parallelimporten. Geht
mit einem neuen Wirkstoff handelt; Präparate, die auf einem
ein Gesuch um Zulassung eines Parallelimportes im Sinne
bereits einmal zugelassenen Wirkstoff basieren, geniessen
von Art. 14 Abs. 2 HMG bei Swissmedic ein, setzt das
ungeachtet dessen, ob die Zulassung auf der Basis der Un-
Institut der Zulassungsinhaberin des Originalpräparats eine
terlagen des Originalpräparats oder gestützt auf neue, voll-
Frist von 30 Tagen an, um einen allfälligen Patentschutz
ständig durch die Gesuchstellerin erarbeitete Prüfunterlagen
für das Originalprodukt geltend zu machen. Macht die
erfolgte, keinen (zehnjährigen) Erstanmelderschutz41.
Zulassungsinhaberin anhand von Unterlagen glaubhaft,
Die Schutzdauer für Prüfungsergebnisse, die im Rahmen
dass das Originalpräparat patentgeschützt ist, weist Swiss-
des Gesuchs um Zulassung des Originalpräparats für neue
medic das Gesuch um vereinfachte Zulassung ab. Gelingt
Indikationen etc. einreicht werden, beträgt drei Jahre und
die Glaubhaftmachung des Patentschutzes nicht, so stellt
kann auf Gesuch hin auf fünf Jahre verlängert werden, wenn
Swissmedic dies in einer anfechtbaren Zwischenverfügung
durch die neue Indikation, Darreichungsform, Dosierung
etc. eine "bedeutende therapeutische Verbesserung erzieltwird" (Art. 17 Abs. 2 und 3 VAM). Die Dauer des Erstan-melderschutzes wird mit der Zulassung verfügt (Art. 4VAM). Rechtsnatur der Zulassungsverfügung
Der Erstanmelderschutz wird von Amtes wegen beach-
Die Zulassungspflicht für verwendungsfertige Arzneimittel
tet. Swissmedic prüft ein Gesuch, das sich auf Unterlagen
dient dem Schutz der Gesundheit sowie dem Schutz vor
beruft, die noch geschützt sind, nicht. Es ist also nicht so,
Täuschung des Konsumenten46. Obwohl man nicht unkri-
dass Swissmedic das Gesuch bereits bearbeitet, aber mit
tisch alle Beschränkungen des Heilmittelgesetzes durch
der Zulassung bis zum Ablauf der Schutzdauer zuwartet42.
polizeiliche Interessen gerechtfertigt sehen sollte, besteht
Im Zusammenhang mit dem Erstanmelderschutz be-
kein Zweifel daran, dass die Zulassungspflicht primär dem
stehen verschiedene offene Fragen, die hier nicht vertieft
Schutz von Polizeigütern47 dient48.
werden können. Bereits die Frage, ob ein neuer Wirkstoff
Bei der Zulassungsverfügung handelt es sich somit um
vorliegt, ist nicht immer einfach zu beantworten (Ist eine
eine typische Polizeierlaubnis, auf deren Erlass bei Erfüllung
andere Salzform bereits ein neuer Wirkstoff? Ist ein Wirk-
der gesetzlich festgelegten Anforderungen ein Rechtsan-
stoff, der aus den links- oder rechtsdrehenden Enantio-
spruch besteht. Die Entscheidung darüber, ob die Erlaubnis
meren eines bisher als Racemat zugelassenen Wirkstoffs
erteilt wird oder nicht, liegt nicht im Ermessen von Swissme-
besteht, ein neuer Wirkstoff?). Dass Swissmdedic bei der
dic49. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Swiss-
Beurteilung, ob durch eine neue Dosierung, Verabreichungs-form oder Indikation eine "bedeutende therapeutische Ver-besserung" erzielt wird, ein erhebliches Ermessen zukommt,ist klar.
Alles andere als klar ist die intertemporale Rechtslage.
Unter der Geltung des Regulativs der Interkantonalen Kon-
42 Telefonische Auskunft FLORENCE GAILLAT, Rechtsdienst
trollstelle für Heilmittel betrug die Schutzdauer der mit
dem Gesuch um Zulassung einer neuen Indikation, Darrei-
43 Regulativ über die Ausführung der interkantonalen Vereinba-
chungsform oder Dosierung eingereichten Prüfungsunterla-
rung über die Kontrolle der Heilmittel vom 25.3.1972, Stand
gen fünf Jahre und konnte in begründeten Fällen herabge-
setzt werden43. Nach der VAM beträgt die Schutzdauer in
44 Sowie, theoretisch, der Strafverfolgungsbehörden, erfüllt
doch jede vorsätzliche Patentverletzung den Tatbestand von
diesen Fällen in der Regel nur noch drei Jahre. Gilt diese
Art. 81 Patentgesetz (SR 232.14). In der Praxis spielt der
kürzere Frist auch für Arzneimittel, die noch von der Inter-
strafrechtliche Patentschutz kaum eine Rolle.
kantonalen Kontrollstelle zugelassen wurden?
45 Handelsgericht St. Gallen vom 31.8.2004, Akten Nr. HG.
2004.49-HGP – SIMVASTATIN. Die Rechtslage bleibt aber
Patentschutz im Zulassungsverfahren
umstritten; zur Zeit der Abgabe dieses Artikels war das Ver-fahren betreffend NORVASC zwischen Pfizer und verschie-
Swissmedic prüft nicht, ob ein Arzneimittel, um dessen
denen Generika-Herstellern vor dem Obergericht Thurgau
Zulassung nachgesucht wird, Patente Dritter verletzt. Die
Durchsetzung des Patentschutzes ist Sache der Zivilge-
46 TOMAS POLEDNA/BRIGITTE BERGER, Öffentliches Gesund-
richte44. Gemäss einem neuen Massnahmeentscheid des
Präsidenten des Handelsgerichts St. Gallen verletzt bereits
47 Zum Begriff der Polizeigüter siehe ULRICH HÄFELIN/GEORG
das Einreichen von Arzneimittelmustern im Zulassungs-
ÜLLER, Grundriss des Allgemeinen Verwaltungsrechts,
verfahren den am Wirkstoff des Arzneimittels bestehenden
48 PAUL RICHLI, Instrumente des Gesundheits- und Lebens-
Patentschutz, was unter Umständen dazu führen kann, dass
schutzes im neuen Heilmittelgesetz vor dem Hintergrund der
der Vertrieb des patentverletzenden Arzneimittelns auch
Grundrechte, AJP/PJA 2002, 348 ff., 353.
über den Ablauf des Patentschutzes hinaus verboten wird45.
49 Zum Rechtsanspruch auf Polizeierlaubnis siehe U. HÄFELIN/
medic bei der Beurteilung der Sicherheit und Wirksamkeit
den Beschwerdeberechtigten zu laufen, mit anderen Worten
eines Arzneimittels ein erheblicher Spielraum zukommt,
wird der Eintritt der formellen Rechtskraft aufgeschoben55.
zumal sich die Rekurskommission bei der Überprüfung dermedizinisch-fachlichen Beurteilung Zurückhaltung aufer-legt50. Beschwerde gegen die Zulassungsver- fügung Eröffnung der Zulassungsverfügung Durch die Gesuchstellerin Gegenüber der Gesuchstellerin
Gegen Verfügungen von Swissmedic, die gestützt auf dasHeilmittelgesetz ergehen, ist die Beschwerde an die Rekurs-
Die Zulassungsverfügung oder der das Gesuch um Zulas-
kommission für Heilmittel zulässig (Art. 85 Abs. 1 HMG).
sung abweisende Entscheid wird der Gesuchstellerin schrift-
Die Beschwerde ist binnen 30 Tagen nach Eröffnung ein-
lich eröffnet. Es gelten die allgemeinen Bestimmungen über
zulegen (Art. 47 VwVG). Organisation und Verfahren der
die Eröffnung von Verfügungen gemäss Verwaltungsver-
Rekurskommission richten sich nach dem Verwaltungs-
verfahrensgesetz und der Verordnung über Organisationund Verfahren eidgenössischer Rekurs- und Schiedskom-
Gegenüber anderen Parteien
missionen (SR 173.31). Die Rekurskommission ist ver-waltungsunabhängig. Neben dem Präsidenten, der Jurist
Als Parteien im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes,
ist, gehören ihr fachtechnisch qualifizierte Personen, d.h.
denen die Verfügung zu eröffnen ist, gelten neben den un-
mittelbaren Verfügungsadressaten auch alle anderen Per-
Die Beschwerdelegitimation der Gesuchstellerin ergibt
sonen, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht
sich aus Art. 48 VwVG. Die Gesuchstellerin hat ein schutz-
würdiges Interesse an der Aufhebung der Verfügung, wenn
Wie nachstehend gezeigt wird, können zahlreiche Parteien
ihr Zulassungsgesuch abgewiesen oder nur eingeschränkt
Rechtsmittel gegen Zulassungsverfügungen von Swissme-
– beispielsweise mit anderen Patienten- oder Fachinforma-
dic ergreifen. Das Verwaltungsverfahrensgesetz sieht vor,
tionen oder gegenüber dem Gesuch eingeschränkten Indi-
dass Verfügungen in einer Sache, in der sich die Parteien
ohne unverhältnismässigen Aufwand nicht vollzählig be-stimmen lassen, durch Veröffentlichung in einem amtlichenBlatt eröffnet werden können (Art. 36 lit. d VwVG). Durch Dritte
Sämtliche Zulassungen von Arzneimitteln durch Swiss-
medic werden im Swissmedic Journal veröffentlicht. Das
Durch Patienten
Swissmedic Journal wird monatlich, jeweils Mitte des
Nach Art. 48 lit. a VwVG ist zur Beschwerde berechtigt,
Monats, auf Deutsch und Französisch sowohl gedruckt, als
wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein
auch im Internet publiziert53. Veröffentlicht werden die Zu-
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Ände-
sammensetzung, die Anwendung, die Abgabekategorie, die
rung hat. Nach Lehre und Rechtsprechung zur Beschwerde-
erhältlichen Packungsgrössen, der Name der Zulassungs-
legitimation von Nicht-Verfügungsadressaten sind diese
inhaberin und das Datum des Ablaufs der Zulassung deszugelassenen Arzneimittels.
Nicht veröffentlicht werden somit insbesondere die Art
des Zulassungsverfahrens (ordentlich, vereinfacht, beschleu-nigt), ob sich das Gesuch auf Prüfungsunterlagen bereitszugelassener Arzneimittel abgestützt hat und die Dauer des
50 Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission für Heil-
Erstanmelderschutzes, wenn es sich um eine Erstanmeldung
mittel vom 13.9.2002 i.S. P. AG, E. 2b,VPB 2003/67 Nr. 31.
handelt. Vergleichbare Publikationen wie das Orange Book54
51 Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, VwVG, SR
der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA)
enthalten sowohl Angaben über das Arzneimittel, auf dessen
52 U. HÄFELIN/G. MÜLLER (FN 47), Rz. 1289.
Prüfungsunterlagen sich ein zugelassenes Arzneimittel
53 www.swissmedic.ch -> Publikationen -> Swissmedic Journal
stützt (Reference Listed Drug), als auch über den Erstan-
54 Die amtliche Bezeichnung lautet Approved Drug Products
Die unvollständige Publikation ist nicht unproblema-
with Therapeutic Equivalence Evaluations; siehe www.fda.
tisch, weil den beschwerdeberechtigten Parteien aus man-
gov/cder/ob/default.htm (besucht am 13.6.2004), wird aber
gelhafter Eröffnung kein Nachteil entstehen darf (Art. 38
55 BGE 116 Ib 321, 326; U. HÄFELIN/G. MÜLLER (FN 47), Rz.
VwVG). Insbesondere beginnt die Rechtsmittelfrist für eine
1292; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren
Beschwerde gegen die Verfügung bei mangelhafter Eröff-
und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. A., Zürich 1998,
nung erst mit tatsächlicher Kenntnis der Verfügung durch
D r i t t b e s c h w e r d e g e g e n a r z n e i m i t t e l r e c h t l i c h e Z u l a s s u n g e n
nur dann beschwerdeberechtigt, wenn sie eine besonders
Die Praxis des Bundesgerichts führt dazu, dass die Be-
nahe und schützenswerte Beziehung zur Streitsache haben,
troffenheit eines Beschwerdeführers, der möglicherweise
weil sie mehr als die Allgemeinheit von der angefochtenen
in Zukunft einmal das fragliche Arzneimittel benötigen
Verfügung betroffen werden. Nach der Formel des Bundes-
könnte, nicht genügt, um ihn zur Beschwerde gegen die
gerichts müssen die Beschwerdeführenden stärker als je-
Marktzulassung oder die Verweigerung der Marktzulassung
dermann betroffen sein und eine besondere, beachtens-
zu legitimieren, weil er nicht stärker als die Allgemeinheit
werte, nahe Beziehung zur Streitsache aufweisen56. Damit
soll insbesondere die Popularbeschwerde ausgeschlossen
Anders liegt der Fall dann wenn es sich um ein Arznei-
werden57. Ob die besondere Beziehungsnähe vorliegt, muss
mittel für eine relativ seltene Krankheit handelt und der
jeweils unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzel-
Beschwerdeführer bereits an dieser Krankheit leidet oder
aufgrund seiner genetischen oder konstitutionellen Prädis-
Ein schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die tatsäch-
position mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in Zukunft
liche oder rechtliche Situation der Beschwerdeführenden
daran leiden wird. Wird die Zulassung dieses Arzneimittels
durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst wird, weil
verweigert, oder wird es nicht für die Indikation zugelassen,
die Beschwerdeführenden bei Aufhebung oder Änderung
an der der Beschwerdeführer leidet, so ist er zweifellos
des Entscheids einen praktischen Nutzen davontragen59.
stärker als die Allgemeinheit betroffen. Er hat auch ein
Unstrittig ist, dass ein tatsächliches Interesse an der Aufhe-
schutzwürdiges persönliches Interesse – das kein rechtli-
bung oder Änderung des Entscheides genügt60.
ches sein muss68 – an der Änderung der Verfügung, wenn
Konsumenten sind nach der Rechtsprechung des Bun-
das Arzneimittel ihm möglicherweise Heilung oder Lin-
desgerichts nicht zur Beschwerde gegen die Marktzulas-
derung von seiner Krankheit verspricht. Unter diesen
sung eines potentiell gesundheitsgefährdenden Produktesberechtigt, weil sie nicht stärker als die Allgemeinheit be-troffen sind61. Zwar habe an sich jeder Konsument ein Inte-resse daran, dass keine gesundheitsgefährdenden bzw. derLebensmittelgesetzgebung widersprechenden Produkte aufden Markt kommen. Dies allein begründe aber keine hin-
56 BGE 119 Ib 184; U. HÄFELIN/W. HALLER (FN 47), Rz. 1376;
reichende persönliche Betroffenheit und schutzwürdige
RENÉ RHINOW/HEINRICH KOLLER/CHRISTINA KISS, Öffentli-
Beziehungsnähe im Sinne von Art. 48 lit. a VwVG. Bloss
ches Prozessrecht und Justizverfassungsrecht des Bundes,
Gefahren von einer gewissen Bedeutung und von einer ge-
Basel 1996, Rz. 1274; zur Kritik am Erfordernis der Betrof-
wissen Wahrscheinlichkeit vermöchten eine Beschwerde-
fenheit "mehr als die Allgmeinheit" siehe A. KÖLZ/I. HÄNER
befugnis zu begründen, nicht rein theoretische und weit
(FN 55), Rz. 547; ISABELLE HÄNER, Die Beteiligten im Ver-waltungsverfahren und Verwaltungsprozess, Zürich 2000,
entfernte, weil sonst eine sinnvolle Abgrenzung zur Popu-
larbeschwerde nicht mehr möglich sei62.
57 BGE 123 II 380; BGE in: ZBl 1997, 136 ff., 140; VPB 1995/
Die Lehre hat das Kriterium des Sondernachteils – des
59 Nr. 41 E. 3; VPB 1993/57 Nr. 21 E. 3.
Betroffenseins mehr als jedermann – wiederholt kritisiert.
58 BGE 121 II 178; 120 Ib 51 f., 120 Ib 386; 119 Ib 184.
Es führt in der Praxis dazu, dass selbst schwere Nachteile
59 I. HÄNER (FN 56), Rz. 525, unter Hinweis auf die in FN 58
die Beschwerdebefugnis nicht zu begründen vermögen,
wenn die Nachteile nur eine genügend grosse Anzahl von
60 BGE 121 II 43 E. c/aa; 121 II 174 E. 2b; 121 II 177 E. 2a;
Personen, möglicherweise die gesamte Bevölkerung, tref-
121 II 361 E. 1a; 123 V 115 E. 5a; 123 V 315 E. 3b; 124 V
fen63. Andererseits genügen bereits vergleichsweise geringe
398 E. 2b; 125 V 342 E. 4a; 126 V 246 E. 2a; 127 II 269
Nachteile, wenn sie nur einen kleinen Personenkreis betref-
E. 2c, i; 127 V 3 E. 1b; 127 V 82 E. 3a/aa; 128 V 36 E. 1a.
61 BGE 123 II 376 ff., wonach Konsumierende nicht zur Be-
fen. HÄNER und andere fordern deshalb, dass das Kriterium
schwerde gegen die Zulassung gentechnisch veränderter Nah-
des Sondernachteils aufzugeben sei. Zum Ausschluss der
Popularbeschwerde genüge die Voraussetzung des Rechts-
62 BGE 123 II 376, 380, unter Hinweis auf BGE 121 II 176,
schutzinteresses, das die Abwendung eines persönlichen
63 I. HÄNER (FN 56), Rz. 555, mit zahlreichen Hinweisen.
Die Rechtsprechung hat sich bisher nicht mit der schon
seit Jahren vorgetragenen Kritik auseinandergesetzt. Zwar
65 BGE 110 Ib 99, 102 (Schiessanlage: beschwerdelegitimiert
distanziert sich das Bundesgericht bisweilen davon, allein
sind alle Nachbarn, die den Schiesslärm deutlich hören, selbst
auf die Anzahl Betroffener abzustellen65. Andererseits hält
wenn dies zahlreiche Personen sind); 120 Ib 379, 387 (Um-
es aber auch in seiner jüngeren Rechtsprechung daran fest,
bau biotechnischer Anlage: in dichtbesiedelten Gebietenkönnen zahlreiche Personen von Immissionen betroffen sein,
bei Grossprojekten dürfe die Legitimation auf einen klei-
ohne dass deswegen eine Popularbeschwerde vorliegen wür-
neren Kreis besonders nah Betroffener beschränkt werden,
de); BGE 121 II 176, 180 (Atomtransport: die Anwohner der
weil sonst häufig Zehn- oder gar Hunderttausende zur Be-
Transportstrecke sind nicht signifikant stärker gefährdet als
schwerde zuzulassen wären66. Gemäss dieser Aussage dür-
die Allgemeinheit und daher nicht zur Beschwerde legitimiert).
fen somit höhere Anforderungen an das Rechtsschutzinte-
resse gestellt werden, wenn eine grosse Anzahl Betroffener
Umständen ist die Beschwerdeberechtigung eines Patien-
der besonderen Beziehungsnähe gefordert, dass die Kon-
ten zu bejahen. Gegen die Zulassung eines seiner Ansicht
kurrenten der gleichen wirtschaftsrechtlichen Ordnung un-
nach gefährlichen oder wirkungslosen Arzneimittels wird
terliegen, welche die besondere Beziehung unter den Kon-
der (potentielle) Patient hingegen nichts machen können,
kurrenten schafft79. Diese Rechtsprechung wollte verhindern,
da er durch die blosse Zulassung nicht persönlich betroffen
dass ein Konkurrent sich gegen Tätigkeiten oder Vorhaben
ist. Die Zulassung allein führt nicht dazu, dass er das Arz-
eines Mitbewerbers wehren konnte, die mit der von den
neimittel verabreicht bekommt, und zur Geltendmachung
Konkurrenten ausgeübten, staatlich geregelten wirtschaft-
der Interessen der Allgemeinheit am Schutz vor gefähr-
lichen Tätigkeit nichts zu tun haben80. Exemplarisch dafür
lichen oder wirkungslosen Arzneimitteln ist er nicht legiti-
BGE 109 Ib 198, wo sich die Betreiber einer Freizeitanlage
(Squash- und Tenniscenter) nicht gegen die Erweiterung
Auch Patientenvereinigungen können, unter den all-
einer konkurrierenden Anlage wehren konnten, da die ange-
gemeinen Voraussetzungen der egoistischen Verbandsbe-
rufenen baupolizeilichen Vorschriften, die für jedermann
schwerde, zur Beschwerde gegen die Verweigerung der
gelten, keine besondere Beziehungsnähe schufen.
Zulassung eines Arzneimittels legitimiert sein. Zunächst
Seit Neustem jedoch genügt es nicht mehr, dass Konkur-
müssen sie juristische Persönlichkeit besitzen69. Sodann
renten der gleichen wirtschaftsrechtlichen Ordnung unter-
muss der statutarische Zweck die Wahrung der Interessen
stellt sind, sondern es muss sich um die gleiche wirtschafts-
der Mitglieder vorsehen; nicht verlangt wird, dass sich der
politische Ordnung handeln, deren Zweck der Schutz des
Zweck ausdrücklich auf die Einlegung von Rechtsmitteln
Beschwerdeführers vor Konkurrenz ist81 oder die das Ertei-
bezieht70. Der statutarische Zweck darf nicht zu allgemein
len der Bewilligung ins freie Ermessen der Behörden stellt82.
formuliert sein und muss einen Bezug zu den Beschwerde-
Solche Regelungen sind im Zuge der Liberalisierungsbe-
interessen der betroffenen Verbandsmitglieder aufweisen71.
strebungen der letzten Jahre selten geworden; die neue
Bei Patientenvereinigungen, die die Förderung des Wohls
Rechtsprechung des Bundesgerichts läuft daher auf eine
der Menschen, die an einer bestimmten Krankheit leiden,zum Zweck haben, ist dieser enge Zusammenhang bei einerBeschwerde gegen die Verweigerung der Zulassung einesArzneimittels, das gegen die betreffende Krankheit wirkensoll, regelmässig gegeben.
Zudem muss eine grosse Zahl der Verbandsmitglieder
betroffen und selber zur Beschwerdeführung legitimiert
69 Vgl. FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. A., Bern
sein72. Wie hoch die "grosse Zahl" sein muss, wird nicht
einheitlich beantwortet. In der Praxis wird nicht verlangt,
70 WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Be-
dass mehr als die Hälfte der Mitglieder betroffen sind73.
Trotzdem stellt das Erfordernis der Legitimation einer gros-
72 BGE 113 Ib 365 f.; 119 Ib 377; 101 Ib 110.
sen Zahl der Mitglieder in der Praxis die grösste Hürde für
73 Bundesgerichtsurteil in: ZBl 1998, 397.
die egoistische Verbandsbeschwerde dar. Patientenverei-
74 Siehe die bei A. KÖLZ/I. HÄNER (FN 55), Rz. 554 zitierten
nigungen überwinden sie nur dann, wenn eine grosse Zahl
ihrer Mitglieder selber an der fraglichen (Art der) Krankheit
75 Siehe die bei A. KÖLZ/I. HÄNER (FN 55), Rz. 554 zitierten
76 BGE 97 I 592, 597, 98 Ib 226, 229 (alle Apotheker der Stadt
Durch Konkurrenten
Bern können Betriebsbewilligung für Bahnhofsapotheke an-fechten).
Das Interesse von Marktteilnehmern, Verfügungen anzufech-
77 I. HÄNER (FN 56), Rz. 735, bemerkt "der Eindruck besteht,
ten, die ihre Konkurrenz begünstigen, liegt auf der Hand.
man wolle die Konkurrentenbeschwerde abschaffen".
Entsprechend häufig haben sich Gerichte mit der Frage der
78 BGE 109 Ib 198, 202; 113 Ib 363, 367 (keine Anfechtung
Beschwerdelegitimation von Konkurrenten befasst74. Zur
der lebenmittelpolizeilichen Zulassung von Margarine durch
Anfechtung drittbegünstigender Verfügungen durch Kon-
den Verband der Butterproduzenten); 123 II 376, 382 (die
kurrenten gibt es eine reichhaltige Rechtsprechung75.
Produzenten von gentechnisch nicht verändertem Soja kön-
Ursprünglich waren praktisch alle in der gleichen Branche
nen die Zulassung von gentechnisch verändertem Soja nicht
Tätigen zur Beschwerde gegen drittbegünstigende Verfü-
anfechten); 125 II 7, 9 (Apotheker können Betriebsbewilli-gung für Versandapotheke nicht anfechten).
gungen befugt76. Die Rechtsprechung ist jedoch zunehmend
79 BGE 123 II 376, 382, 109 Ib 198, 202.
vom Bestreben geprägt, die Beschwerdelegitimation von
80 GEORG MÜLLER in einer Anmerkung zum Urteil des Verwal-
tungsgerichts Zürich, ZBl 1999, 436, 443.
Wiederholt betont das Bundesgericht, die blosse Befürch-
tung, einem verstärkten Wettbewerb ausgesetzt zu sein,
82 BGE 127 II 264, 270 ff. (die Interkantonale Landeslotterie
genüge nicht, um zur Beschwerde legitimiert zu sein. Diese
ist berechtigt, die Erteilung einer Lotteriebewilligung an einen
Art des Berührtseins liege vielmehr im Prinzip des freien
Dritten anzufechten; die im Lotteriegesetz stillschweigend
Wettbewerbs und schaffe keine schutzwürdige besondere
enthaltene Bedürfnisklausel schafft, auch wenn sie nicht mit
Beziehungsnähe78. In einem ersten Schritt wurde bezüglich
wirtschafts-, sondern sozialpolitischen Erwägungen begrün-det ist, eine besondere Beziehungsnähe).
D r i t t b e s c h w e r d e g e g e n a r z n e i m i t t e l r e c h t l i c h e Z u l a s s u n g e n
Abschaffung der Konkurrentenbeschwerde auf kaltem Weg
tels steht aber nicht im freien Ermessen von Swissmedic;
da es sich um eine Polizeibewilligung handelt, besteht viel-
Die Zulassung eines Arzneimittels steht nicht im freien
mehr ein Rechtsanspruch auf Zulassung, wenn das Arz-
Ermessen von Swissmedic. Es handelt sich, wie oben er-
neimittel die gesetzlichen Vorschriften bezüglich Qualität,
wähnt, um eine Polizeibewilligung, auf deren Erteilung ein
Sicherheit und Wirksamkeit erfüllt. Die Beschwerdebe-
Rechtsanspruch besteht, wenn das Arzneimittel die ge-
rechtigung von Konkurrenten kann sich daher nicht auf die
setzlichen Vorschriften bezüglich Qualität, Sicherheit und
Wirksamkeit erfüllt. Nach der restriktiven neueren Recht-
Neben dem tatsächlichen genügt nach der ständigen
sprechung des Bundesgerichts genügt es daher für die Be-
Rechtsprechung des Bundesgerichts jedoch auch ein recht-
schwerdelegitimation des Konkurrenten nicht, dass er eben-
liches Interesse des Beschwerdeführers, um ihn zur Anfech-
falls der gesundheits- bzw. arzneimittelrechtlichen Ordnung
tung drittbegünstigender Verfügungen zu legitimieren88.
Das rechtliche Interesse ist dann gegeben, wenn eine Norm
Dieses Resultat befriedigt nicht, wenn der Konkurrent
verletzt wird, die den Schutz von Individualinteressen des
durch die unrichtige Anwendung von Rechtsvorschriften
Beschwerdeführers bezweckt89. Während das Interesse des
einen persönlichen Nachteil erleidet. Der Hinweis des Bun-
Konkurrenten am Schutz vor zusätzlichem Wettbewerb
desgerichts darauf, dass es in der Natur der freien Marktwirt-
nicht schutzwürdig ist, können aber durchaus andere betrof-
schaft liege, dem Wettbewerb ausgesetzt zu sein, überzeugt
fene Interessen schutzwürdig sein. Dies ist insbesondere
deshalb nicht, weil der Wettbewerb innerhalb der geltenden
dann der Fall, wenn die drittbegünstigende Verfügung unter
Rechtsordnung mit gleich langen Spiessen ausgetragen
Missachtung von Vorschriften erlassen wurde, die in erster
werden muss. Gelangt ein Wettbewerber im konkreten Ein-
Linie dem Schutz privater Interessen des Konkurrenten
zelfall zu einer an sich ungerechtfertigten Begünstigung,
dienen. In diesem Fall hat der Konkurrent nicht nur ein
weil die Zulassungsvorschriften nicht richtig angewendet
tatsächliches, sondern sogar ein rechtliches Interesse an
wurden, wird die Fairness im Wettbewerb beeinträchtigt84.
der Aufhebung der Verfügung. Dabei genügt es für die
Eine solche Beeinträchtigung kann sich gerade bei Polizei-
Beschwerdelegimitation, wenn der Dritte die Verletzung
bewilligungen ergeben. Bei lebens- oder gesundheitspoli-
solcher Normen behauptet. Ob wirklich, wie behauptet,
zeilichen Vorschriften beispielsweise ergibt sich ein unge-
durch die angefochtene Verfügung Rechte verletzt werden,
rechtfertigter Vorteil, wenn ein Produkt den Vorschriften
ist nicht im Rahmen der Eintretensfrage zu untersuchen,
nicht entspricht und deshalb die Produktionskosten nied-
sondern bleibt der Sachprüfung vorbehalten90.
riger sind85. Bei den arzneimittelrechtlichen Zulassungenkommt hinzu, dass bereits das Abstellen auf ein unvollstän-diges Zulassungsdossier einen erheblichen Nachteil bewir-ken kann, da die Durchführung der für die Zulassung not-
wendigen Studien regelmässig mit hohem finanziellen
Aufwand verbunden ist, den sich der Konkurrent, dessen
85 I. HÄNER (FN 56), Rz. 737, unter Hinweis auf ANDREAS JOST,
Arzneimittel aufgrund eines unvollständigen Dossiers zu-
Zum Rechtsschutz im Wirtschaftsverwaltungsrecht, ZSR
gelassen wurde, ganz oder zumindest teilweise spart.
1982 II, 453 ff. und LUCREZIA GLANZMANN-TARNUTZER, Die
Mit der herrschenden Lehre ist deshalb zu fordern, dass
Legitimation des Konkurrenten zur Verwaltungsgerichtsbe-
ein Konkurrent zur Beschwerde zuzulassen ist, wenn er be-
schwerde an das Bundesgericht, Diss. St. Gallen 1997, 196.
hauptet, die massgeblichen – auch polizeilichen – Vorschrif-
86 D.h. zusätzlich zur Legitimation, die sich aus der wirtschafts-
ten seien in rechtswidriger Weise ungleich angewendet
politischen Ordnung ergibt. Der dem Zitat unmittelbar voran-
worden und nachweist, dass ihm dadurch ein persönlicher
gehende Satz lautet: "Ein schutzwürdiges Interesse kann abervorliegen für Konkurrenten in Wirtschaftszweigen, die durch
wirtschaftspolitische oder sonstige spezielle Regelungen (z.B.
Das Bundesgericht scheint in seiner neusten Rechtspre-
Kontingentierung) in eine besondere Beziehungsnähe unter-
chung diese Hintertür zumindest offen zu lassen, schreibt
einander versetzt werden" (BGE 127 II 269).
es doch in BGE 127 II 264, 269: "Ferner86 ist ein Konkur-
87 BGE 127 II 264, 270 (Lotteriebewilligung).
rent zur Beschwerde legitimiert, soweit er geltend macht,
andere Konkurrenten würden privilegiert behandelt". Diese
89 Vgl. BGE 119 Ia 433, wo das Bundesgericht die Legitimation
Aussage steht zumindest vorläufig in unaufgelöstem Wider-
der schaffhausischen Ärzte zur Beschwerde gegen die Bewil-
spruch zu BGE 125 I 7, 11, wo das Bundesgericht festhält,
ligung zur Selbstdispensation durch Ärzte bejaht hat, obwohl
eine unrichtige Anwendung der auf die Konkurrenten an-
kein Konkurrenzverhältnis zwischen Ärzten und Apotheken
wendbaren Vorschriften führe selbst dann nicht zur Be-
bestehe (eine bezüglich Medikamentenverkaufs fragwürdigeAnnahme), weil das Gesundheitsgesetz im Interesse einer
schwerdelegitimation der Konkurrenten, wenn sie sich zu
sicheren Medikamentenversorgung beabsichtige, die Apothe-
Lasten der Beschwerdeführer auswirke. Die Konkurrenten-
ken vor Konkurrenz zu schützen. Zur Schutznormtheorie und
beschwerde ist ausnahmsweise zulässig, wenn es im freien
ihrer Entwicklung siehe I. HÄNER, FN 56, Rz. 624 ff.
Ermessen der Behörde steht, ob sie einen Konkurrenten
90 WALTER KÄLIN (Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwer-
zum Markt zulässt und der Anfechtende der gleichen wirt-
de, 2. A., Bern 1994, FN 70), 231; a.M. I. HÄNER (FN 56),
schaftsverwaltungsrechtlichen Ordnung wie der Verfü-
Rz. 634, die diesen Ansatz für Normen unterhalb der Verfas-
gungsadressat untersteht87. Die Zulassung eines Arzneimit-
Das Heilmittelgesetz enthält Normen, die den Schutz
aufschiebenden Wirkung muss verhältnismässig sein, dazu
privater Interessen der Konkurrenten bezwecken. Einerseits
müssen die sich gegenüberstehenden Interessen abgewogen
schützen die Vorschriften zum Erstanmelderschutz die Inves-
werden94. Ist die Beschwerde offensichtlich unbegründet,
titionen des Erstanmelders in die pharmakologischen und
so kann ihr die aufschiebende Wirkung entzogen werden95.
klinischen Prüfungen, die er im Rahmen des Zulassungs-
Die Verwaltungsbeschwerde ist ein devolutives Rechts-
verfahrens vorlegen muss. Andererseits schützen die Vor-
mittel, die Behandlung der Sache, die Gegenstand der ange-
schriften über die zeitliche Beschränkung des Erstanmelder-
fochtenen Verfügung bildet, geht auf die Rekurskommission
schutzes – abgestuft nach Innovationsgrad des Arzneimittels
über (Art. 54 VwVG). Allerdings kann Swissmedic ihren
– auch Generika-Hersteller davor, dass ein übermässig lan-
Entscheid bis zur Vernehmlassung in Wiedererwägung zie-
ger Erstanmelderschutz gewährt wird. Die Vorschriften zum
hen (Art. 58 Abs. 1 VwVG), insofern ist die Devolutivwir-
Patentschutz im Verfahren der Zulassung von Parallelimpor-
ten schliesslich dienen dem Schutz der Interessen der Pa-tentinhaberin (bzw. deren Lizenznehmern in der Schweiz).
Wenn ein Dritter die Verletzung der genannten Normen
behauptet, ist er selbst nach der restriktiven neuen Recht-
Rechtsmittel gegen den Beschwerde-
sprechung des Bundesgerichts zur Beschwerde gegen die
entscheid
einen Konkurrenten begünstigende Zulassungsverfügungberechtigt, denn er wird durch die Verfügung von Swiss-
Der Entscheid der Rekurskommission für Heilmittel kann
medic in seinen rechtlich geschützten Individualinteressen
binnen 30 Tagen nach Eröffnung mit Verwaltungsgerichts-
verletzt. Deshalb ist auch die Publikationspraxis von Swiss-
beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden (Art.
medic nicht unbedenklich, denn aus dem Swissmedic Jour-
97, Art. 98 lit. e, Art. 106 Abs. 1 OG). Es gibt keine besonde-
nal kann weder der Erstanmelder entnehmen, ob ein Arz-
ren Ausschlussgründe für Verfügung der Rekurskommission
neimittel mit einem bekannten Wirkstoff im vereinfachten
für Heilmittel im Ausschlusskatalog von Art. 99 und 100
Zulassungsverfahren (und somit unter Bezug auf die Prü-
OG96. Selbstverständlich gelten die allgemeinen Ausschluss-
fungsunterlagen des Erstanmelders) zugelassen wurde,
gründe von Art. 101 OG auch für Verfügungen der Rekurs-
noch der potentielle Generika-Hersteller, welcher Erstan-
melderschutz für das neu zugelassene Arzneimittel gewährt
Die Legitimation zur Beschwerde ergibt sich aus Art. 103
OG; Art. 103 Abs. 1 OG, der die Beschwerdeberechtigung
Zu erwähnen ist, dass die Rekurskommission der Inter-
Privater regelt, lautet gleich wie Art. 48 lit. a VwVG. Die
kantonalen Vereinigung für die Kontrolle der Heilmittel die
Anforderungen an die Legitimation sind im Wesentlichen
Legimitation Dritter zur Anfechtung von Verfügungen der
gleich wie bei der Verwaltungsbeschwerde97.
Kontrollstelle verneint hat91. Diese Rechtsprechung stützte
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine Verfü-
sich aber auf das inzwischen aufgehobene Konkordatsrecht,
gung, die nicht zu einer Geldleistung verpflichtet, hat nur
das ausdrücklich nur den Gesuchsteller zur Beschwerde
aufschiebende Wirkung, wenn der Präsident der urteilenden
legitimierte92. Sie hat daher keine präjudizielle Wirkung für
Abteilung sie von Amtes wegen oder auf Gesuch einer Par-
die Praxis der Rekurskommission für Heilmittel.
tei hin verfügt (Art. 111 OG). Damit das Bundesgericht dieaufschiebende Wirkung anordnet, muss ein Nachteil darge-tan sein, der das Interesse an einer sofortigen Wirksamkeitder Verfügung überwiegt98. Der Nachteil muss aber – im
Wirkungen der Beschwerde
Gegensatz zum Entzug der aufschiebenden Wirkung derVerwaltungsbeschwerde – kein schwerer sein99.
Die Beschwerde gegen die Zulassungsverfügung an dieRekurskommission für Heilmittel hat aufschiebende Wir-kung (Art. 55 Abs. 1 VwVG) und zwar auch dann, wennsie von einem Dritten eingereicht wird, denn jede Be-schwerde eines Beschwerdeberechtigten hat aufschiebendeWirkung93. Das Arzneimittel kann somit bis zum Entzugder aufschiebenden Wirkung oder bis zur Erledigung der
91 Unveröffentlichter Entscheid der Rekurskommission IKV
Beschwerde durch Nichteintretens- oder Sachentscheid
92 Die Rekurskommission IKV schloss eine ergänzende Anwen-
nicht rechtmässig in Verkehr gesetzt werden.
dung von VwVG und OG aus, da das Konkordatsrecht bezüg-
Die aufschiebende Wirkung kann der Beschwerde durch
lich der Frage der Legitimation keine Lücken aufweise.
Swissmedic in der Zulassungsverfügung selber entzogen
93 A. KÖLZ/I. HÄNER (FN 55), Rz. 647.
werden (Art. 55 Abs. 2 VwVG). Der Präsident der Rekurs-
94 Siehe zur Praxis der Bundesbehören A. KÖLZ/I. HÄNER (FN
kommission kann die aufschiebende Wirkung ebenfalls
entziehen (Art. 55 Abs. 2 VwVG). Für den Entzug der auf-
95 VPB 62/1998 Nr. 8, 65; BGE 106 Ib 116.
schiebenden Wirkung müssen überzeugende Gründe spre-
chen, der Gesuchstellerin muss durch die aufschiebende
97 R. RHINOW/H. KOLLER/C. KISS (FN 56), Rz. 1507.
Wirkung ein schwerer Nachteil entstehen. Der Entzug der
98 Vgl. BGE 115 Ib 67 f., 117 Ib 52 f. 99 A. KÖLZ/I. HÄNER (FN 55), Rz. 966.
D r i t t b e s c h w e r d e g e g e n a r z n e i m i t t e l r e c h t l i c h e Z u l a s s u n g e n
Zusammenfassung
Patienten können die Verweigerung der Zulassung einesArzneimittels anfechten, wenn sie an der Krankheit leidenoder voraussichtlich in Zukunft leiden werden, für derenBehandlung um Zulassung des Medikaments ersucht wurde. Sie haben ein schutzwürdiges Interesse daran, dass ein Arz-neimittel, das Linderung oder Heilung ihrer Krankheit ver-spricht, zugelassen wird und sind von der Verweigerungder Zulassung stärker betroffen als die Allgemeinheit. Unterden üblichen Voraussetzungen der egoistischen Verbandsbe-schwerde sind auch Patientenvereinigungen mit juristischerPersönlichkeit zur Beschwerde befugt, wenn eine grosseAnzahl ihrer Mitglieder selber beschwerdeberechtigt ist.
Konkurrenten, d.h. Arzneimittelhersteller oder -vertrei-
ber, sind nach richtiger Auffassung zur Beschwerde gegendrittbegünstigende Zulassungsverfügungen legitimiert,wenn sie durch die Zulassung einen persönlichen Nachteilerleiden, weil der Konkurrent durch die Nichteinhaltungder Verfahrens- oder Produktvorschriften Kosten spart unddaher einen Konkurrenzvorteil erlangt.
Selbst wenn man jedoch die restriktive bundesgericht-
Zusammenfassungs-Box
liche Rechtsprechung zur Konkurrentenbeschwerde nichtin Frage stellt, sind Konkurrenten zur Beschwerde befugt,
soweit sie die Verletzung von Normen geltend machen, dieden Schutz ihrer privaten Interessen bezwecken. Die Heil-
Bitte schreiben Sie eine Zusammenfassung Ihres Auf-
mittelgesetzgebung enthält Normen, die den Schutz berech-
satzes und mailen diese an ivo.schwander@unisg.ch; falls
tigter Interessen Dritter bezwecken. Insbesondere die Vor-
diese Möglichkeit nicht besteht, legen Sie sie dem Korrek-
schriften über die Berücksichtigung des Patentschutzes bei
Parallelimporten (Art. 14 Abs. 2 HMG) und den Erstanmel-derschutz (Art. 12 HMG) bezwecken nicht den Schutz des
Achten Sie auf die Platzreserve in dieser Textbox.
Publikums, sondern denjenigen des Erstanmelders bzw.
(Wenn möglich: deutscher Aufsatz in französisch, fran-
zösischer Aufsatz in deutsch. Andernfalls werden wir für
Soweit der Erstanmelder bzw. der Patentinhaber eine
die Übersetzung besorgt sein. Achten Sie dabei darauf,
Verletzung dieser Normen geltend macht, ist er daher zur
den deutschen Text so leicht verständlich wie möglich
Beschwerde gegen die Zulassungsverfügung, die einen
zu formulieren, da er übersetzt werden muss).
Dritten begünstigt, berechtigt. Ebenso kann ein Generika-Hersteller eine Zulassungsverfügung anfechten, wenn darin
einem Gesuchsteller der Erstanmelderschutz zu Unrecht
oder übermässig lange gewährt wurde. Patienten, die aneiner seltenen Krankheit leiden, haben ein schutzwürdigesInteresse daran, dass ein Arzneimittel, das Linderung oderHeilung ihrer Krankheit verspricht, zugelassen wird. Siesind von der Verweigerung der Zulassung stärker betroffenals die Allgemeinheit und daher berechtigt, die Verweige-rung der Zulassung eines solchen Arzneimittels anzufech-ten.
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