Chemie und edutainment ii

Von Deflagrationen und Detonationen1
Viktor Obendrauf
1. Von Stickstofftriiodid, Nitroglycerin, Schießbaumwolle und Lachgas-Wuffis

Seit dem Erscheinen des ersten Teils dieses Beitrags [1], in dem das unterrichtswissenschaftliche
Modewort „Edutainment“ aus der Sicht eines Chemielehrers mit der traditionsreichen Geschichte
der „Abendvorlesungen“ und Christmas-Lectures in Verbindung gebracht wurde, haben viele
Kolleginnen und Kollegen die Behauptung bestätigt, dass chemische Experimente mit
motivierenden Showelementen im Chemieunterricht durchaus didaktisch begründet werden
können, wenn die vorgestellten Experimente nicht bloß als sogenannte „Wunderversuche“ ohne
jede naturwissenschaftliche Erklärung der wahrgenommenen Phänomene missbraucht werden.
An geeigneter Stelle eingesetzt und erklärt, können alle im zitierten Beitrag unter dem Motto
„Feuer und Flamme“ willkürlich ausgewählten, dafür aber im Detail sorgfältig beschriebenen
Experimente zur Verdeutlichung chemischer Gesetzmäßigkeiten herangezogen werden [1].
Auch zum gegenständlichen Arbeitstitel „Deflagrationen und Detonationen“ gibt es in der
Experimentierliteratur eine breite Palette an klassischen Versuchsbeispielen, die bei geeigneter
Adaption als affektive Basis für die kognitive und alltagsbezogene Dimension eines modernen
Chemieunterrichts herangezogen werden können. Bei vielen dieser Experimente müssen jedoch
aus heutiger Sicht besondere Sicherheitsvorkehrungen und Umweltschutzmaßnahmen
eingefordert werden. Dies trifft insbesonders dann zu, wenn man mit Makroansätzen vor einem
größeren Publikum z. B. am Tag der offenen Tür, bei Schulfesten etc. einen Hauch von
Bühnenatmosphäre heraufbeschwören möchte.
Aber auch in den sparverwalteten Oberstufenklassen unseres Landes ist der zeitliche und
finanzielle Rahmen für einen schultypenadäquaten Experimentalunterricht bezeichnenderweise
gerade an den sogenannten österreichischen „R e a l –Gymnasien“ nicht selten so schmal
bemessen, dass sich viele österreichische SchülerInnen über weite Strecken mit „talk and chalk“
begnügen müssen, damit das österreichische Reifezeugnis nicht nur die theoretische Möglichkeit
symbolisiert, bei entsprechender Motivationslage ein naturwissenschaftlich orientiertes Studium
ohne größere Startschwierigkeiten in Angriff nehmen zu können.
„LehrerInnenfreundlichere“ (weil didaktisch gut verwertbare und zudem praktikablere)
Experimentiervorschläge können den Lehrenden und Lernenden nicht nur zu mehr Zeit für
logische Verknüpfungen der Lerninhalte verhelfen. Die Lernenden sind einfach mit einer
besseren Lernsituation konfrontiert, wenn die Lehrenden beim Vorstellen von Experimenten
nicht bereits stirnrunzelnd an die mühevolle Versorgung von Geräten und Entsorgung von
Chemikalienresten nach Beendigung des Versuches denken müssen. Insofern muss der
methodischen Optimierung von Schulexperimenten und der Konzeption von zeitgemäßen und
praktikablen Versuchsbeispielen ein ähnlicher Stellenwert eingeräumt werden wie der
didaktischen Suche nach besseren theoretischen Konzepten zwecks Verdeutlichung von
chemischen Gesetzmäßigkeiten.
Deshalb sollen im folgenden exemplarisch zum Motto „Deflagrationen und Detonationen“ einige
heikle Experimente so beschrieben werden, dass diese trotz einer gewissen Brisanz weder die
Umwelt noch die Lehrenden und Lernenden gefährden. Längere Vorbereitungsarbeiten werden
nur dann in Kauf genommen, wenn das fertige Präparat (z. B. Schießbaumwolle) oftmals und
ohne neuerliche Vorlaufzeiten eingesetzt werden kann.
1Deflagration: Rasch ablaufende Verbrennung z. B. auch von Explosivstoffen an offener Luft, die
Ausbreitungsgeschwindigkeit der Verbrennung ist ungleichförmig und beträgt höchstens 100 m/s; Explosion:
Umsetzung potentieller Energie in Ausdehnungs- und/oder Verdichtungsarbeit unter Auftreten von Stoßwellen bis
1000 m/s; Detonation: Explosion mit höchster Geschwindigkeit mit Stoßwellen von 1.000 bis 10.000 m /s.

2. Stickstoff-Triiodid (Iodstickstoff)
Iodstickstoff ist ein hochexplosiver Feststoff, der sich nach einer Reaktion von festem Iod mit
Ammoniak in einer konzentrierten Ammoniak-Lösung als Ammoniakat (NI .
Die Verbindung muß sofort nach der Herstellung rasch und gezielt getrocknet und wieder
umgesetzt werden, um unberechenbare Explosionen bzw. Detonationen zu vermeiden. Diese
Halogenverbindung ist ein charakteristisches Beispiel dafür, dass bestimmte
Stickstoffverbindungen bei der Zersetzung explosionsartig elementaren Stickstoff bilden können.
Stickstofftriiodid zählt zwar nicht zur Alltagswelt der Lernenden, durch die vergleichsweise
einfache Synthese und Reinigung des Präparats eröffnen sich jedoch attraktive Möglichkeiten,
die Begriffe, Element, Verbindung, chemische Reaktion, Reaktionsgleichung, Extraktion,
Filtration, Aktivierungsenergie, Bindungsenergie, etc. in der Praxis und am Beispiel der
Gleichungen 1 und 2 zu diskutieren:
NH3 + I2 → NI3 + 3 HI (1)
2 NI3 → N2 + 3 I2 (2)
2.1. Herstellung
Material und Chemikalien:
Reagenzgläser 16/160, Reagenzglasgestell, Spatel, Trichter, 250 ml Erlenmeyerkolben,
Rundfilter (Durchmesser ca. 12 cm, zu Faltenfilter gefaltet), Iod (subl). Ammoniak-Lösung
(c=25%), Ethanol vergällt, Diethylether.
Durchführung:
Das Reagenzglas wird ca. 2 mm hoch mit kristallinem Iod beschickt. Diese Iodkristalle werden
ca. 10 cm hoch mit konz. Ammoniak-Lösung übergossen. Das Gemisch wird von Zeit zu Zeit gut
geschüttelt, nach ca. 3 Minuten nochmals gut aufgeschlämmt und mit Schwung in ein Faltenfilter
geleert, sodass das schwere Reaktionsprodukt zusammen mit der ammoniakalischen Lösung
möglichst vollständig im Filter landet. Der Trichter befindet sich in einem 250 ml Erlenmeyer-
Kolben (mit enger Öffnung), sodaß sich das Filtrat im Erlenmeyer sammeln kann. Eventuelle
Reste des schwarzen Reaktionsproduktes im Reagenzglas werden mit Ethanol (vergällt) ins Filter
gespült. Sofort nach dem Abfließen der wässigen Phase wird der Produkt im Filter mit ca. 20 ml
Spiritus übergossen. Der Trichter samt Filter wird etwas geschwenkt, um die noch nicht zur
Reaktion gebrachten Anteile an Iod zu lösen. Nach dem Abfließen der alkoholischen Iod-Lösung
übergießt man das so vom Iod gereinigte Reaktionsprodukt im Filter sofort mit etwa 10 -15 ml
Diethylether. Die dem Reaktionsprodukt noch anhaftenden Alkoholreste werden vom Ether rasch
weggespült. Noch bevor (!) der Ether selbst völlig verdunstet ist, wird das schwarze, noch gut
etherfeuchte Reaktionsprodukt nun auf mehrere Filterpapiere aufgeteilt.
2.2. Demonstration der Eigenschaften:
Bereits nach wenigen Minuten Trocknungszeit kann das Stickstofftriiodid durch sanftes Klopfen
mit der Spatelspitze zur Reaktion gebracht werden. Im noch feuchten Zustand ist
Stickstofftriiodid nicht schlagempfindlich.
2.3. Sicherheitshinweise und Entsorgung:
Unmittelbar in der Nähe befindliche Zuhörer sind vor dem peitschenden Knall zu warnen. Die
bei der Reaktion gebildeten Iod-Dämpfe dürfen nicht eingeatmet werden. Das Reagenzglas muß
sofort nach der Synthese gereinigt werden, um etwaige Rückstände noch im feuchten Zustand
mit viel Wasser wegspülen zu können. Einmal hergestelltes Stickstofftriiodid kann nicht gelagert
werden und ist sofort nach der gezielten Trocknung zur Reaktion zu bringen. Vor dem Einsatz
von Diethylether sind sämtliche mögliche Zündquellen zu entfernen. Wegen der Gefährlichkeit
von etwaigen Stickstofftiiodid-Rückständen muß auf eine Aufarbeitung des Filtrats
(Gesamtvolumen max. 50 ml) verzichtet werden. Das Filtrat wird mit viel Wasser verdünnt und
weggespült.
3. Glycerintrinitrat („Nitroglycerin“)
Spätestens seit Österreichs Briefbombenserie II ist „Nitroglycerin“ (besser Glycerintrinitrat) in weiten Teilen der Bevölkerung bekannt. Erstmals hergestellt wurde die Verbindung im Jahre 1847 vom italienischen Chemiker Ascanio Sobrero. Dabei wird Glycerin (Propantriol) unter dreifacher Wasserabspaltung mit Salpetersäure verestert: C3H8O3 + 3 HNO3 į C3H5(O-NO2)3 + 3 H2O Die Bezeichnung „Nitroglycerin ist somit nicht korrekt, weil sich –O-NO2-Reste als Estergruppen an den C-Atomen befinden und nicht die Nitrogruppe –NO2. Der Erfinder selbst gab den Versuch bald auf, „Nitroglycerin“ (besser Glycerintrinitrat) als Sprengstoff einzusetzen. Die Unberechenbarkeit gegen Erschütterung und Stoß und die Tatsache, dass Nitroglycerin nicht wie das seit dem 13. Jahrhundert eingesetzte Schwarzpulver durch eine offene Flamme zur Detonation gebracht werden kann, ließen die Verbindung für technische und militärische Zwecke unbrauchbar erscheinen. 1866 fand Alfred Nobel die Lösung: 75 Teile Glycerintrinitrat und 25 Teile Kieselgur ergaben einen festen Stoff, der zu zylindrischen Körpern in Papier eingerollt dosiert in Bohrlöcher eingebracht werden konnte. Das so erfundene Gur-Dynamit hatte eine fünfmal stärkere Sprengkraft als Schwarzpulver und war der Grundstein für den großen wirtschaftlichen Erfolg der Familie Nobel. Da Gur-Dynamit gegenüber Wasser nicht beständig war, löste Nobel Jahre 1875 Cellulosetrinitrat in Glycerintrinitrat und erhielt die Sprenggelatine. Reines Glycerintrinitrat explodiert am Siedepunkt von 256°C nach folgendem Schema: 4 C Wie bei allen stickstoffhältigen Sprengstoffen profitiert Glycerintrinitrat vor allem von
der freiwerdenden Bindungsenergie des gebildeten elementaren Stickstoffs.
In geringen Mengen eingenommen wirkt Nitroglycerin gefäßerweiternd bei Asthma und Angina
pectoris, weil es den Botenstoff NO abspaltet (Nachweis und Aufklärung des Wirkungsprinzips
wurde 1998 mit dem Nobelpreis für Medizin 1998 gewürdigt).
3.1. Herstellung:
Material:
3 10-ml-Pipetten (trocken) mit Peleusball oder Microscale-Spritzenpumpe (10 ml Einwegspritze
mittels geeigneter Schlauchstücke als Saugvorrichtung nach [2] am Mundstück der Pipette
befestigt), Reagenzglas 16/160, (trocken), Becherglas 250 ml mit Eiswürfeln und dest. Wasser,
Trichter, Faltenfilter 10cm, Erlenmeyerkolben (Enghals, 250 ml), Glasrohr (Durchmesser 8
mm), Brenner, Hammer, Amboß oder Billigschraubstock (Baumarktware), Schutzbrille,
Glasschutzwand,
Durchführung (nach Flörke) [3]
Das trockene Reagenzglas wird mittels Pipette mit angeschlossener Sicherheitssaugvorrichtung
(siehe unter Material) mit 4 ml Salpetersäure conc. beschickt. Die Salpetersäure wird im
Eiswasser gut gekühlt. Nun tropft man mit der 2. Pipette langsam. 8 ml Schwefelsäure conc zu.
Das Nitriergemisch darf sich dabei nicht deutlich über Zimmertemperatur erwärmen, sonst muß
die Zutropfgeschwindigkeit reduziert werden. Nun werden unter Schwenken und Eiskühlung
langsam 10 Tropfen reines Glycerin (Apothekerware reicht) zugetropft. Sollte bei der Zugabe der
ersten Tropfen nicht sofort eine Trübung (durch den wasserunlöslichen Ester) auftreten, wird die
Kühlung unterbrochen, weil das Nitriergemisch für die Reaktion zu kalt ist. Umgekehrt darf die
Temperatur der Nitriersäure keinesfalls über Zimmertemperatur steigen, sonst besteht die Gefahr,
dass sich das Gemisch unter Bildung von nitrosen Gasen zersetzt. Das Reagenzglas wird
geschwenkt, bis die Trübung nicht mehr zunimmt. Nun gießt man das Gemisch vorsichtig und
langsam in genau 100 ml Eiswasser im 250 ml-Becherglas (Schutzbrille!). Das Becherglas wird
vorsichtig kreisend geschwenkt, bis sich die Eiswürfel zur Gänze gelöst haben und am Boden des
Becherglases winzige Tröpfchen Glycerintrinitrat auftauchen. Die kleinen Tröpfchen müssen
durch Schwenken des Glases zu einem großen Tropfen vereinigt werden. Ein Rühren mit dem
harten Glasstab ist dabei unzulässig und könnte nach verschiedenen Literaturangaben bereits
gefährlich werden.
Nun dekantiert man einen Großteil des überstehenden Säuregemisches ab und gießt den Rest mit
dem Tropfen Glycerintrinitrat in ein angefeuchtetes Faltenfilter (Trichter in Erlenmeyerkolben).
Das Säuregemisch tropft ab, der Tropfen Glycerintrinitrat sammelt sich am Boden des
Faltenfilters.
3.2. Demonstration der Eigenschaften:
Mit selbstgezogenen Glaskapillaren (aus 8 mm AR-Glasrohren) saugt man aus dem isolierten
Tropfen im Faltenfilter ganz wenig Produkt (ca. 1 cm hoch) in die Kapillare und hält diese
rasch in den heißen Teil der Bunsenflamme (Schutzbrille, Handschuh, Glasschutzscheibe!).
Die Schlagempfindlichkeit kann getestet werden, indem man einen kleinen Tropfen mittels
Pasteurpipette in der Mitte eines kleines Ambosses (Billig-Schraubstock, Baumarktware)
positioniert und mit dem Hammer gezielt und ohne zu verkanten draufschlägt.
3.3. Sicherheitshinweise und Entsorgung:
Es dürfen keine größeren Mengen an Glycerintrinitrat hergestellt werden. Das Auditorium ist vor
dem Knall zu warnen. Die Glaskapillare zerstäubt sehr heftig, sodaß Schutzbrillen,
Schutzscheibe und Handschuhe unerlässlich sind. Nichtbenötigtes Glycerintrinitrat darf nicht
gelagert werden. Nicht benötigte Mengen werden im nassen Filter mit dem Brenner vorsichtig
erhitzt. Es erfolgt eine harmlose Deflagration unter Bildung von Stickoxiden, die man allerdings
nicht einatmen darf. Das im Eiswasser stark verdünnte Nitriergemisch wird mit viel Wasser
weggespült.
4. Celllulosetrinitrat (Schießbaumwolle, „Nitrocellulose“)
Die Bezeichnung „Nitrocellulose“ ist auch ähnlichen Gründen nicht richtig wie die Bezeichnung
„Nitroglycerin“. Hergestellt wurde die leicht entzündliche Substanz erstmals von Christian F.
Schönbein im Jahre 1846. Cellulosetrinitrat entsteht, wenn die drei Hydroxy-Gruppen aller
Glucosebausteine der Cellulose mit Salpetersäure nach folgender Summengleichung verestert
werden:
[C
6H10O5]n + 3n HNO3 į [C6H7O2(O-NO2)3]n + 3n H2O Grundsätzlich sind verschiedene Veresterungsgrade möglich. Die N-Gehalte betragen beim Mononitrat 6,75%, beim Dinitrat 11,11% und beim Trinitrat 14,14% . Produkte mit N-Gehalten von ca. 10,5 bis 12,2 Gewichtsprozenten Stickstoff werden als Lackwolle in sogenannten Nitrolacken gelöst. Eine typische Zusammensetzung wäre z. B. 15% Cellulosenitrat, 10% Kunstharz, 5% Weichmacher in niedrig- bis hochsiedenden Lösemitteln („Nitroverdünnung“) gelöst. Nagellacke enthalten meist Cellulosenitrat. Wenn man 70 bis 75% Cellulosedinitrat mit 25 bis 30% Campher verknetet, erhält man das hornartige, sehr leicht verformbare Celluloid, das noch eine gewisse Bedeutung für die Herstellung von Brillenfassungen, Kämmen und Tischtennisbällen besitzt. Cellulosenitrat mit einem N-Gehalt von 12,3 bis 13,7% wird als Pulver- oder Schießbaumwolle bezeichnet. Das gelblich gefärbte, fasrige Produkt ist im trockenen Zustand schlag- und reibungsempfindlich und kommt mit einem Wassergehalt von 15-25% in den Handel [4]. In trockener Form findet man die Schießbaumwolle in Scherzartikeln, die man in Aschenbechern deponieren kann und mit der Glut der Zigarette oder mit der Flamme eines Zündholzes einen Blitz ergeben. Genau dieser Effekt und die Tatsache, dass sich Schießbaumwolle bereits bei rund 180°C oder elektrisch zünden läßt, wird auch häufig in der Bühnenmagie ausgenützt. Da die Geschwindigkeit der Deflagration von offen deponierter Schießbaumwolle sehr groß ist, kann man kleine (ca. 1 cm große) Stückchen Schießbaumwolle z. B. mit einem erhitzten Glasstab auch auf der bloßen Hand zur Reaktion bringen (siehe Titelfoto dieser Zeitschrift). Mit dem handelsüblichen „Aschenbecher-Schreck“ kann diese „hautnahe“ Reaktion nicht durchgeführt werden, weil neben der Schießbaumwolle noch ein zusätzlicher Stoff zu sehr heißen Funken führt. Technisch wird Schießbaumwolle wie bereits erwähnt mit Glycerintrinitrat zu Sprenggelatine verarbeitet und fungiert so unter anderem leider auch als Rohrwaffentreibmittel. Bei der explosionsartigen (rauchlosen) Zersetzung von Cellulosenitrat bilden sich ohne Bedarf an zusätzlichem Oxidationsmittel die Verbrennungsgase CO, CO2, N2 und H2. 4.1. Herstellung
Material:
500 ml Becherglas, 2 Glasstäbe, Eiswürfel, Kunststoffschüssel als Kühlbad, reine (nicht
mercerisierte) Baumwolle (z. B. Kosmetikwatte, De-Makeup-Pads), Trockenschrank, Waage,
Gummihandschuhe, Schutzbrille, NaHCO3

Durchführung:
70 ml Salpetersäure conc. werden im trockenen 500-ml-Becherglas mittels Eisbad gut
vorgekühlt. Nun gibt man unter ständigem Rühren langsam insgesamt 140 ml Schwefelsäure
conc. zu und läßt das Nitriergemisch im Eisbad gut abkühlen. Inzwischen werden 10 g
Kosmetikwatte ca. 1 Stunde lang im Trockenschrank (oder Backrohr) bei 120°C getrocknet, weil
der normale Wassergehalt von etwa 5 bis 7% die Veresterungsgeschwindigkeit deutlich
verlängern und den Veresterungsgrad deutlich verschlechtern würde. Die getrockneten
Kosmetik-Pads gibt man nun einzeln nach und nach ins ständig gekühlte Nitriergemisch hinein
und sorgt unter Drücken und Rühren für eine guten Kontakt des Nitriergemisches mit den
Cellulosefasern. Da je nach Herkunft der Watte-Pads die plötzliche Bildung von nitrosen Gasen
nicht ausgeschlossen werden kann, hat das Einbringen der Cellulose ins Nitriergemisch im
Abzug oder im Freien zu geschehen. Nach der Zugabe von insgesamt maximal 10 g Cellulose-
Pads wird das Gemisch mit dem Glasstab 10 Minuten lang gerührt und gedrückt, um das sich
bildende Reaktionswasser im Nitriergemisch zu verteilen. Nun holt man mit Hilfe von zwei
Glasstäben und Gummihandschuhen die nitrierten Pads in kleinen Portionen aus dem
Säuregemisch heraus und befördert sie sofort in eine ausreichend groß dimensionierte Schüssel,
die zuvor ins Waschbecken gestellt wurde und mittels Wasserschlauch ständig mit Frischwasser
versorgt wird. Die nitrierte Watte wird nun mindestens 10 Minuten lang im ständig
überlaufenden Wasserbad gerührt und ausgewaschen. Nun gibt man die so vorgereinigte Watte
mindestens 5 Minuten lang in ein Becherglas mit ca. 200 ml gesättigter NaHCO3-Lösung und
rührt und drückt wieder, bis auch zwischen den Fasern keine Gasbläschen mehr beobachtbar
sind, weil die letzten anhaftenden Säurereste neutralisiert wurden. Die nitrierte Cellulose wird
nun wieder mindestens 10 Minuten lang unter ständigem Rühren in der Schüssel mit dem
überlaufenden Fließwasser salzfrei gewaschen. Danach muss das Cellulosenitrat an der Sonne
bzw. am Heizkörper langsam mehrere Stunden lang gut (!) getrocknet werden.
4.2. Überprüfung des Nitrierungsgrades
In der beschriebenen Weise kann so in relativ kurzer Zeit erfahrungsgemäß ein Nitrierungsgrad
von rund 90% erreicht werden, was mit schulischen Mitteln nach guter Trocknung des
Ausgangsstoffes und des Reaktionsproduktes durch gravimetrische Messungen einfach überprüft
werden kann, weil die Massenzunahme durch das Einbringen der Estergruppen beträchtlich ist.
Aus 10 g trockener Cellulose entstehen rechnerisch 18,1 g Cellulosetrinitrat.
4.3. Zusätzliche Sicherheitshinweise
Das Trocknen der nitrierten Cellulose im heißen Trockenschrank ist nicht zulässig. Rascheres
Trocknen eines mit der Pinzette gehaltenen nitrierten Pads mit einem Fön ist möglich. Das beim
Nitrieren verbrauchte Nitriergemisch wird mit Natronlauge vorsichtig neutralisiert und mit sehr
viel Wasser verdünnt weggespült. Sicher gelagert werden kann die Schießbaumwolle im
feuchten Zustand, vor Gebrauch ist sie wieder zu trocknen.
4.4. Demonstration der Eigenschaften
a) Man kontrolliert die Brisanz der Schießbaumwolle am besten zuerst auf einer feuerfesten
Unterlage, indem man eine Hälfte eines nitrierten Watte-Pads mit einem stark erhitzten Glasstab berührt, um zu zeigen, dass die Nitrocellulose zur Aktivierung keine offene Flamme benötigt. Wenn die Deflagration blitzartig verläuft, weil die Watte ausreichend nitriert und trocken ist, kann man auch die Variante b wagen: b) Man gibt ein etwa 1 cm großes Stück des nitrierten Watte-Pads auf die Hand und berührt es mit dem erhitzten Glasstab. Die Wärmewirkung des resultierenden gelben Blitzes ist auf der Haut kaum zu spüren, weil die Abbrandgeschwindigkeit zu groß ist. c) Nitrocellulose als „Vorderlader-Treibsatz“: Man gibt eine Scheibe der (!) nitrierten Watte- Pads in ein großes Tablettenröhrchen (z. B. für Brausetabletten) aus Aluminium, formt aus Alufolie eine locker (!) in das Röhrchen passende Kugel, positioniert die so geladene „Kanone“ mittels Stativ und Klemme so, dass die Mündung schräg nach oben und nicht in Richtung Zuhörerschaft weist und erhitzt das untere Ende (dort wo sich die nitrierte Cellulose befindet) mit dem Bunsenbrenner. Nach wenigen Sekunden wird die zu einer Kugel zusammengeknüllte Alu-Folie mit einem fauchendem Geräusch aus dem Röhrchen geschleudert.
5. Der Lachgas-Wuffi (Bellender Hund)
Im Jahre 1853 demonstrierte Justus von Liebig anlässlich einer Abendvorlesung für die bayrische
Königin eine Reaktion zwischen Stickstoffmonoxid und Schwefelkohlenstoff. Bei der
Wiederholung des Versuchs für die begeisterte High Society der damaligen Zeit kam es zu einem
Unfall, weil wahrscheinlich anstelle von Stickstoffmonoxid reiner Sauerstoff eingesetzt wurde.
Wenn man anstelle des giftigen Stickstoffmonoxid ungiftiges Lachgas verwendet, kann man die
Reaktion, die mit einer blauen hübschen Stichflamme und einem bellenden Geräusch verbunden
ist, mit relativ einfachen Mitteln nachstellen ohne dabei ein toxikologisch relevantes Risiko
eingehen zu müssen. Lachgas (Distickstoff-Monoxid) kann dabei mit einer einfachen
Vorrichtung aus Sahnekapseln gewonnen werden. Das sehr giftige Kohlenstoffdisulfid
(Schwefelkohlenstoff) wird so dosiert, dass keine Dämpfe atembar werden. Folgende Reaktion
dazu wird auch in neueren Büchern [5] angegeben.
3 N2O + CS2 → 3 N2 + CO + SO2 + 1/8 S8
5.1. Versuchsbeschreibung
Material:
Dickwandiger Standzylinder ca. 1000 ml mit Glasplattenabdeckung, Kunststoffgefäß als
pneumatische Wanne, Einsatz für die Wanne zum pneumatischen Auffangen von Gasen,
Lachgas-Spender („Luftdruck-Korkenzieher“, siehe Conrad-Hauptkatalog 1999, Ideen u. Design-
Collection Seite ID 19, Preis ATS 319.- Bestell.Nr. 67-00-90-66), 2 ml-Einwegspritze mit Nadel
(0,8/1200 mm), Schutzbrille, Schutzwand, Holzspan, Sahnekapseln mit Lachgas,
Schwefelkohlenstoff
Durchführung:
Der „Luftdruck-Korkenzieher“, der nomalerweise mit Kohlendioxid-Kapseln arbeitet, wird mit
einer gleich dimensionierten Sahne-Kapsel beschickt und verschlossen. Über dem Dorn, mit dem
man normalerweise den Flaschenkork durchsticht, wird die vorgesehene Schutzhülle aus Metall
angeschraubt. Bei Betätigung des Ventils (Knopfdruck) läßt sich der 1 Liter-Standzylinder
bequem mit dem Einsatz für pneumatische Wanne durch Wasserverdrängung quantitativ mit
Lachgas füllen. Wenn eine Lachgaskapsel geleert ist, wird sie einfach gegen eine neue
ausgetauscht.
Der so gefüllte Standzylinder wird noch unter Wasser mit der Abdeckung verschlossen und auf
den Tisch gestellt. Nun entnimmt man mittels Spritze und langer Nadel aus der nur etwas
freigegebenen Öffnung des Schwefelkohlenstoff-Behälters weniger als 0,5 ml
Schwefelkohlenstoff, verschließt das Vorratsgefäß sofort wieder und tropft die giftige Flüssigkeit
in den Standzylinder. Die Abdeckung wird dabei nur wenig beiseite geschoben. Nun schwenkt
man den geschlossenen Zylinder bis das Kohlenstoffdisulfid verdampft ist.
Der Standzylinder wird auf den Tisch gestellt. Sofort nachdem man die Abdeckung seitlich
entfernt hat, wird ein brennender Span in den Zylinder getaucht. Es erfolgt eine Deflagration mit
blauer Flammenerscheinung und einem bellenden Geräusch. (Wuffi).
5.2. Entsorgungshinweise
Der Standzylinder wird sofort ausgespült, wobei das darin befindliche SO2 nicht eingeatmet
werden darf. Der am Glasrand gebildete Schwefel läßt sich unmittelbar im Anschluß an die
Reaktion am leichtesten mit Spülmittel und großer Bürste entfernen.
6. Zusammenfassung
Über das Internet sind allen interessierten Jugendlichen mittlerweile alle Präparationsvorschriften
für unzählige explosive Substanzen ganz leicht zugänglich (Stichwort: „Terrorist’s Handbook“).
Die am Datenhighway angebotenen Vorschriften sind zum Teil mit abenteuerlichen
Mengenangaben, unvollständig und deshalb nicht selten gefährlich formuliert. Aus diesem Grund
wurde in diesem Beitrag versucht, einige der bekanntesten und brisantesten Reaktionen in
praktikabler Form darzustellen. Alle beschriebenen Experimente beziehen ihre Brisanz vor allem
aus der Bindungsenergie des gebildeten Stickstoffs. Abgesehen von der affektiven
(motivierenden) Komponente dieser attraktiven Experimente und der angesprochenen
praktischen und chemiegeschichtlichen Bedeutung eröffnen sich verschiedenste Möglichkeiten
chemische Gesetzmäßigkeiten (Stöchiometrie, Energetik) zu diskutieren. Bei der bewußt
detailierten Beschreibung der Experimente wurden immer wieder Hinweise zur Sicherheit
gegeben. Trotzdem wird dringend geraten, dass die vorliegenden Versuchsvorschläge nur von
versierteren KollegInnen in die Praxis umgesetzt werden, um Schadensfälle zu vermeiden, für
die der Verfasser keine Verantwortung übernehmen kann .
Literatur:
[1] V.OBENDRAUF: Chemie und Edutainment I – Feuer und Flamme, Chem.Sch. (Salzbg.) 1/97
[2] Z.SZAFRAN, R.M.PIKE, M.M.SINGH: Microscale Inorganic Chemistry, J. Wiley&Sons, Inc. NewYork 1991
[3] F.BUKATSCH, W.GLÖCKNER: Experimentelle Schulchemie, Organische Chemie 1, Studienausgabe, Aulis-
Verlag Deubner 1977
[4] Römpp Chemie Lexikon, 9. Aufl. (Hrsg: J. Falke, M. Regitz), Thieme Verlag Stuttgart 1995
[5] W. ROESKY, K.MÖCKEL: Chemische Kabinettstücke, Verlag Chemie, Weinheim 1994

Source: http://fachberatung-chemie.de/Deflagrationen_und_Detonationen.pdf

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