Neue antikonvulsiva fortbildungsreferat bei der kreisärzteschaft calw am 6. november 2002

Fortbildungsreferat bei der Kreisärzteschaft Calw am 6. November 2002 Einleitung:
In den letzten Jahren wurden 8 neue Antikonvulsiva mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zu Behandlung von epileptischen Anfällen im Erwachsenenalter zugelassen. Die Indikation lautet in der Regel: Zusatz-Behandlung („add-on“) von komplex-fokalen Anfällen, die schwierig einzustellen sind. Wenige Medikamente sind für jüngere Kinder zugelassen. Inzwischen wurden bei einigen Antikonvulsiva die Indikationen erweitert auf generalisierte Anfälle, sogar primär generalisierte Anfälle bei idiopathischen Epilepsien. Einige Medikamente werden auch als Monotherapie und zur primären Einstellung empfohlen. Damit stehen die Medikamente auch in Konkurrenz zu den sog. etablierten oder älteren Antikonvulsiva. Für Ärzte, die viele Patienten mit Epilepsie behandeln bedeutet dies u.a., dass sie häufig von Pharmareferenten besucht werden und mit den neuesten Studien zur Wirksamkeit der Antikonvulsiva vertraut gemacht werden. Es ist nicht immer leicht den Überblick zu behalten; insbesondere auch wegen der sehr ähnlichen Behandlungsspektren. Von den Spezialklinken werden regelmässig Fortbildungsseminare gehalten und bei den Kongressen der Liga gegen Epilepsie ist die Frage wann verordne ich wem und warum eines der neuen Antikonvulsiva ein wichtiges Thema geworden. Dennoch wird nicht selten nach dem Zufallsprinzip oder rein emotional entschieden, welches der Medikamente nun im Einzelfall das sinnvollste sein könnte. Auch bei Meta-Analysen ergibt sich noch kein klares Bild (Privitera 1999). Einige prinzipielle Bedenken gegenüber einer freizügigen Verordnung der neuen Antikonvulsiva müssen beachtet werden: die Evaluationsstudien betreffen meist nur eine relativ kleine Zahl von Patienten, deren Krankheitsbilder selten differenziert dargestellt werden und die Nachbeobachtungszeit ist oft zu kurz, um eine nachhaltige Wirkung belegen zu können. Auch die Zahl der Anwendungsfälle ist weltweit noch nicht gross genug um die Risiken unerwünschter Wirkungen wirklich abschätzen zu können (Glauser 2001). Es soll daran erinnert werden, dass es mehr als 10 Jahre nach der Einführung von Valproinsäure dauerte, bis erkannt wurde, dass schwere Leberschädigungen z.T. mit letalem Ausgang durch das Medikamente ausgelöst werden können. Bevor auf die Indikationsgebiete der neuen Medikamente, ihre pharmakodynamischen Vorteile und Nachteile einzelner Antikonvulsiva sowie auf die bisher bekannten unerwünschten Wirkungen eingegangen wird, sollen einige Grundlagen der Epilepsietherapie angesprochen werden. Klassifikation der Epilepsien
Viele etablierte und neue Antikonvulsiva sind für bestimmte Anfallsformen oder Epilepsien besonders wirksam. Daher ist es wichtig sowohl nach Anfallsart als auch nach dem Krankheitsbild der Epilepsie zu differenzieren. Bei der Klassifikation der Epilepsien werden u.a. auch ätiologische und pathogenetische Gesichtspunkte berücksichtigt. Die Systematik ist sehr komplex. In Tabelle 1 sind die relevanten Kriterien aufgeführt: Die Klassifikation erfolgt entsprechend den klinischen Anfallsymptomen und unter dem Blickwinkel von Epilepsie-Syndromen (Hufnagel 2000, Rating 2001). Darüberhinaus sind topographische Aspekte von Bedeutung (Tab. 1) und (Anhang : Abbildung 1 , Hufnagel S.19), die für die klinische Symptomatik mitverantwortlich sind und in den letzten Jahren unter dem Blickwinkel möglicher neurochirurgischer Eingriffe zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Tabelle 2 enthält ein vereinfachtes Klassifikationsschema der Pathophysiologie der Epilepsie
Grundsätzlich besteht bei einem epileptischen Anfall eine Imbalanz von exzitatorischen und inhibitorischen neuronalen Erregungen. Es können entweder die Aktivität der exzitatorischen Neurone überwiegen oder die der inhibitorischen Neurone reduziert sein, oder die Rezeptoren abnorm verteilt sein. Die Erregungen werden vermittelt durch Neurotransmitter. Glutamat und Aspartat stehen dabei für exzitatorische und GABA für hemmende Wirkung. Bei einigen genetisch bedingten Epilepsien bestehen definierte Störungen der Ionenkanäle (der Zellmembran) für Kalium, Natrium oder Calcium. Die Ausgestaltung eines Anfalls wird dabei von den kortikalen Neuronenverbänden geprägt. Subkortikale Strukturen (z.B. Amygdala, Hippocampus oder Thalamus) initiieren, hemmen oder bahnen die Anfälle (Hufnagel 2000). Heterotope Nerven- zellverbände, die nicht in physiologische Funktionen eingebunden sind, können als pathogene Schrittmacher wirksam sein. Abnorme Strukturen im Hippopcamus und der Amygdala, die z. T. nach früheren langanhaltenden Anfällen entstanden sind, erleichtern ebenfalls die Anfallsentstehun Tabelle 1 : Kriterien bei der Klassifikation von Anfällen und Epilepsien bzw.
Syndromen

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1) Anfälle
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Absencen (typisch, atypisch, myoklonisch) Generalisierte tonisch-klonische Anfälle Fokale Anfälle (einfach-, komplex-fokal, sekundär generalisierend) 2) Epilepsie-Syndrome
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Idiopathisch generalisierte Epilepsien (z.B. frühkindliche Absencen Epilepsie, Aufwach-Grand Mal Epilepsie, juvenile myoklonische Epilepsie) Fokale Epilepsien (erworbene oder symptomatische Epilepsie, idiopathische Epilepsie)
3) Topographische Zuordnung von Anfällen und Epilepsien
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Primär generalisierte Anfälle: Synchronisierte Entladung in beiden Hemisphären (z. B. idiopathische Epilepsien) - Zentralregion - Temporalregion - Parietalregion - Frontalregion - Supplementär motorische Region Tabelle 2: Klassifikation der Epilepsien und –Syndrome nach der
Internationalen Epilepsie-Liga (ILAE)
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Lokalisationsbezogen
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Idiopathisch (altersgebunden) z.B. mit zentrotemporalen Spikes Symptomatisch z.B. Temporallappen E., Frontallappen E. Idiopathisch (altersgebunden): z.B. mit:Absencen, Aufwach GM, Die neurophysiologische Anfallsausbreitung erfolgt in bestimmten Abläufen (Kaskaden), die zum epileptischen Anfall führen. Bei prolongierten Anfällen kann es zu Destruktion von Nervengewebe kommen (im Bereich des Hippocampus, der Amygdala, dem Thalamus oder im Cortex), wodurch eine erhöhte Anfallsbereitschaft entstehen kann. Die gestörten Hirnareale werden in unterschiedliche Zonen gegliedert: Irritative Zone (interiktale EEG-Veränderungen), Zone des Anfallsbeginns (Anfälle werden in Gang gesetzt), epileptogene Zone (verursacht die Anfälle), symptomatogene Zone (bewirkt die ersten klinischen Symptome eines Anfalls) und funktionelle Ausfallsszone ( für nichtepileptische Anfälle verantwortlich). Bei einem neurochirurgischen Eingriff wird die gesamte „Schrittmacherzone“, die vorab diagnostiziert werden muss, entfernt (Krämer 1998). Die pharmakologische Wirkung der Antikonvulsiva beruht auf der Beeinflussung des Neurotransmitterstoffwechsel (Auf- und Abbau, Freisetzung) und der Ansprechbarkeit von Rezeptoren. Ein sehr einfaches Schema des GABA-Stoffwechsels im synaptischen Spalt zeigt die Abbildung 2 (Hufnagel 2000). Während früher vorwiegend der GABA-Stoffwechsel im Mittelpunkt der pathophysiologischen Überlegungen stand, hat man zunehmend die Bedeutung des Glutamat-Stoffwechsels bzw. der exzitotoxischen Wirkung von Glutamat erkannt. Auch bei der Entstehung der Demenz kommt diesem Neurotransmitter eine wichtige Bedeutung zu (Bittigkau und Ikonomodou 1997). Die Einwirkungsmöglichkeiten der Medikamente sind vielfältig. So können Antagonisten für die NMDA- oder AMPA-Rezeptoren bzw. gegen spezielle Subtypen ebenso antikonvulsiv wirksam sein, wie Pharmaka, welche die Freisetzung von Glutamat Die neuen Antikonvulsiva
Viele Medikamente wurden in den letzten 10 Jahren neu eingeführt. Sie entstanden z.T. aus der Retorte unter dem Eindruck der beschriebenen pathochemischen und pathophysiologischen Mechanismen bei der Epileptogenese. Ihre „Angriffspunkte“ unterscheiden sich. Einzelne Antikonvulsiva wirken sehr selektiv, andere auf mehrere Pathomechanismen. Hieraus wir z.T. auch ein besondere Wirksamkeit für spezielle Anfallsarten oder Epilepsien abgeleitet. Dennoch zeigt sich bei der täglichen Anwendung, dass die Ansprechbarkeit nicht den theoretischen Überlegungen folgt. Das unterstreicht die Tatsache, dass die Pathophysiologie der Anfälle und der Epilepsien noch nicht ausreichend verstanden wird. Die ursprünglich bei der Neuzulassung angegebenen Indikationen weiten sich aus. Wichtige Informationen über die zugelassenen Indikationen und die durchschnittliche Dosierung der neuen Antikonvulsiva , die aus den Produktinformationen entnommen worden sind, wurden in Tabelle 3 zusammengefasst. Weitergehende Informationen sind aus dem Vademecum Antiepilepticum zu entnehmen, das regelmässig aktualisiert wird (Schneble u. Ernst 2001). Tabelle 3 : Neue Antikonvulsiva und zugelassene Indikation

Vigabatrin (Sabril
) (40 - 80 mg/kgKG)
Fokale, sek. generalisierte Anfälle: Kombinationstherapie, Felbamat (Taloxa) (20 - 35 mg/kgKG) Lennox-Gastaut Syndrom ab 4 Jahre, wenn alle anderen Mittel versagen Gabapentin (Neurontin) (15 - 30 mg/kgKg) Fokale, komplex-fokale, sek. gener. Anfälle: Mono- u. Ersttherapie ab 12 Jahre, Lamotrigin (Lamictal) (1 - 5 mg/kgKG) Fokale, komplex-fokale Anfälle: Mono- u. Ersttherapie oder Kombitherapie ab 12 J. Lennox-Gastaut Syndrom: ab 4 J. Kombinationstherapie Topiramat (Topamax) (5 - 9 mg/kgKG) Fokale, komplex-fokale, primär generalisierte Anfälle: Mono- u. Kombitherapie, ab 2 Jahre Primär general. Epilepsien, Lennox-Gastaut Syndrom Tiagabin (Gabitril) (30 - 50 mg/kgKG) Fokale, komplex-fokale Anfälle: Kombinationstherapie, ab 12 Jahre Oxcarbazepin (Timox, Trileptal) (20 - 25mg/kgKG) Fokale, komplex-fokale Anfälle: Mono-, Erst- u. Kombinationstherapie, ab 6 Jahre Levetiracetam (Keppra) (10 – 50 mg/kg) Fokale, komplex-fokale Anfälle: Kombinationstherapie ab 16 Jahre < >, Indikationen, die durch kontrollierte Studien abgesichert sind (siehe Tabelle 4) Effizienz der Behandlung
Während zur Einführung neuer Medikamente eine umfassende Dokumentation des Wirkstoffs, seiner theoretischen und nachweisbaren Wirksamkeit und seiner Nebenwirkungen in verschiedenen Experimentalsituationen einschliesslich Tierexperimenten und bei der Anwendung beim Menschen vorgelegt werden müssen, zeigt sich die tatsächliche Behandlungseffizienz erst im klinischen Alltag (Glauser 2002). Es interessiert nicht nur, ob in der Gruppe der behandelten Patienten im Mittel eine mehr als 50 prozentige Reduktion der Anfallshäufigkeit erreicht werden konnte, die sog. Responderrate. Wichtig ist darüberhinaus die Streubreiten im Einzelfall (Range), zumindest aber die Standardabweichung. Nur wenige kontrollierte Studien werden weitergeführt in eine open-label extension Phase mit einer Dauer von mindestens einem Jahr. Bei einer Studie zu der Wirksamkeit von Oxcarbazepin bei 229 Kindern mit schwierig einstellbaren Epilepsien zeigte sich, dass nur 7% der Patienten nach 56 Wochen noch anfallsfrei blieben. Daher sind auch open-label Trials, ebenfalls sinnvoll, da sie nicht den Grad der Veränderungen im Einzelfall dokumentieren können, so z.B., dass bei einzelnen Patienten auch eine Anfallshäufung eintreten kann. Welche Indikationen für das Kindesalter inzwischen durch kontrollierte Studien geprüft worden sind, werden in Tabelle 4 dargestellt (Glauser 2000). Daraus ergeben sich Indikationen, die bisher noch nicht zugelassen sind. Tabelle 1
Neue Antikonvulsiva: Kontrollierte Studien im Kindesalter (Glauser 2000)
1) Doppelblind und placebo-kontrolliert

Sekundär generalisierende Anfälle mit fokalem Beginn: Gabapentin, Lamotrigin, Oxcarbazepin, Topiramat Grand-Mal Anfälle ohne fokalen Ursprung: Benigne Epilepsie mit zentrotemporalen Spikes: 2) Doppelblind und vergleichend
Sekundär generalisierende Anfälle: Oxcarbazepin Alle Anfallstypen und Epilepsie-Syndrome: Topiramat Es fehlen auch ausreichende Daten, um die neuen Antikonvulsiva mit den etablierten im Bezug auf die Mono- und/oder Ersttherapie vergleichen zu können. Dennoch wird nicht selten empfohlen doch sofort die neuen Medikamente einzusetzen. Unerwünschte Wirkungen
Es werden vier unterschiedliche Arten von unerwünschten Wirkungen unterschieden (Typ A-D), von denen nur der Typ A verlässlich durch die kontrollierten Studien beobachtet werden kann
Tabelle 5: Unerwünschte Wirkungen der Antikonvulsiva
Typ A: Bedingt durch direkte oder indirekte pharmakologische Effekte, die vorhersehbar und dosisabhängig sind.
Typ B: Idiosynkratische Reaktionen, z.T. lebensgefährlich, treten meist innerhalb der ersten Monate auf Typ C: Bedingt durch Langzeitanwendung z.B. infolge Akkumulation oder Abhängigkeits- entwicklung Typ D: Dosisunabhängig aber individuell bedingt z.B. Carcinogenese oder Teratogenität Pharmakodynamische Aspekte
Die Konzentration eines Pharmakons im Blut wird u.a. bestimmt von der Resorption (z.B. bei gleichzeitiger Gabe von Antazida oder Antibiotika), von der Bioverfügbarkeit, von der Verteilung in unterschiedlichen Kompartimenten des Körpers und von der Verstoffwechselung (z.B. Ausscheidung). Der Blutspiegel entspricht oft nicht der Konzentration im Nervengewebe, wichtig ist die Konzentration des nicht an Plasmaeiweiss gebundenen Anteils. Bei einigen Medikamenten sind die therapeutisch relevanten Blut-Konzentrationen definiert, bei Gabapentin, Tiagabin, Topiramat und Vigabatrin dagegen nicht. Da die meisten als zusätzliche Medikamente eingesetzt werden, ist es wichtig auf die gegenseitige Beeinflussung des Stoffwechsels und der Tabelle 6 : Stoffwechselinteraktionen bei neuen Antionvulsiva

Barbiturate, Carbamazepin und Phenytoin verringern die Lamotrigin erhöht die Konzentration von Carbamazepin Vigabatrin kann Konzentration von Barbituraten verringern Ein besonderer Vorteil ergibt sich, wenn die Ausscheidung durch unterschiedliche Organe erfolgt. Von den neueren Medikamenten werden Vigabatrin und Gabapentin unverändert und vollständig, Levetiracetam fast unverändert sowie Topiramat und Felbamat vorwiegend renal ausgeschieden. Wichtige unerwünschte Wirkungen
Die meisten Erkenntnisse über unerwünschte Wirkungen ergeben sich aus der klinischen Beobachtung organischer Veränderungen, wie z.B. an der Haut, oder neurologischer Symptome wie z.B. Ataxie, Schwindel u.a. bzw. Verminderung der Leistungsfähigkeit durch Müdigkeit, Verstimmungszustände oder gar Apathie. Darüberhinaus werden bestimmte Laboruntersuchungen durchgeführt um toxische Einflüsse z. B. auf Knochenmark-, Leber-, Nieren- Schilddrüsenfunktion oder Knochenstoffwechsel, rechtzeitig zu erkennen (Tab. 7). Tabelle 7 : Wichtige unerwünschte Wirkungen neuer Antikonvulsiva

Vigabatrin:
Schwindel, Müdigkeit, Konzentrationsmangel, Unruhe, Aggressivität,
Gesichtsfeldausfälle (Retinaveränderungen) u.a.
Felbamat:
Aplastische Anämien (1:4000) u.a.
Gabapentin:
Müdigkeit, Schwindel, Ataxie, Kopfschmerz, Appetitstörungen, Übelkeit, Erbrechen u.a.
Lamotrigin:
Tox.-allerg Exantheme, Schwindel, Müdigkeit, Enzyminduktion!
Topiramat (siehe gesonderte Aufstellung):
Gewichtsverlust, Übelkeit, Schwindel, Müdigkeit, Denk- u. Sprachstörungen,
Konzentrationsstörung, Ataxie, Nystagmus, Tremor u.a.
Tiagabin:
Müdigkeit, Schwindel, Nervosität, nicht konvulsive Anfälle, emotionale Störungen,
Anorexie,Diarrhoe, Dyspepsie
Oxcarbacepin:
Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerz, Doppeltsehen, Übelkeit, Hyponatriämie u.a.
Levetiracetam:
Schläfrigkeit, Schleimhautirritation, Stimmungsschwankungen, Anfallsprovokation
Dagegen fehlen bei den meisten Therapiestudien neuropsychologischer Tests zum Ausschluss differenzierter Beinträchtigungen der Leistungsfähigkeit im kognitiven Bereich oder der Lebensqualität wie z.B. durch Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung oder Störungen der Gedächtnisfunktion. Einschränkungen n diesen Bereich werden häufig der Grunderkrankung angelastet, die für die Epilepsie verantwortlich ist. Selbst wenn die Grundintelligenz im Normbereich liegt werden dadurch z.T. erhebliche Lernstörungen wie z.B. Lese- Rechtschreibstörungen verursacht, die den Schulerfolg bzw. den beruflichen Erfolg in Frage stellen! Lernleistungsstörungen, zerebrale Anfälle, regelmässige ärztliche Kontrolluntersuchungen können das Selbstwertgefühl beeinträchtigen und zu erheblichen emotionalen Störungen führen. In der Regel sind es nicht die Anfälle selbst, die für die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit verantwortlich sind, obwohl auch bei häufigen und langanhaltende Anfällen doch organisch bedingte motorische, sensorische oder kognitive Folgeschäden eintreten können. Dies trifft insbesondere für Patienten mit einer Temporallappen-Epilepsie zu. Bourgeois (1998) stellte zwar fest, das bisher keine ausreichenden Kenntnisse über kognitive Beeinträchtigungen durch Antikonvulsiva existieren, da die entsprechenden Studien methodisch Mängel aufweisen, dennoch ist aus dem klinisch Alltag bekannt, dass bei Einführung oder Absetzen von Medikamenten bei einzelnen Personen deutliche Veränderungen der Leistungsfähigkeit zu beobachten sind. Zusammenfassung
Die Erfolgsbilanz der neuen Antikonvulsiva ist ernüchternd. Nur wenige haben einen deutlichen Fortschritt gebracht, insbesondere bei den schwer einstellbaren Epilepsiepatienten. Als positives Beispiel gilt bei den Neuropädiatern die Behandlung von BNS-Anfällen mit Vigabatrin, die Behandlung von fokalen u. sekundär generalisierten Anfällen mit topiramat und lamotrigin und evtl die Behandlung mit von primär generalisierten Anfällen mit Lamotrigin. Vielfach geht die Reduktion der Anfallsfrequenz mit mehr oder weniger ausgeprägten Nebenwirkungen einher oder nach anfänglichen Erfolgen lässt die Wirkung innerhalb von wenigen Monaten wieder nach. Die Effizienz der neuen Antikonvulsiva muss an dem zusätzlichen Gewinn gemessen werden, der für die Patienten erreichbar ist, über die bisherigen Behandlung mit etablierten und in der Regel deutlich preiswerteren Medikamenten hinaus! Dennoch wird man in bestimmten Fällen froh sein, die neuen Behandlungsmöglichkeiten ausloten zu können, wenn die Behandlung schwierig ist. Leider sind im Kindesalter viele Medikamente noch nicht zugelassen und wenig erprobt. Bei Einwilligung der Angehörigen kann dennoch eine Behandlung im Einzelfall versucht werden. Abzulehnen ist nach dem jetzigen Wissensstand die primäre Einstellung auf eines der neuen Antikonvulsivum, wenn nicht spezielle Gründe eindeutig dafür sprechen. Nicht nur aus ökonomischem Gründen muss davor gewarnt werden - die Medikamente sind meist zwei- bis dreimal teurer- , sondern vor allem aus ethischen Gründen. Das tatsächliche Risko für Nebenwirkung lässt sich bei der noch relativ geringen klinischen Erfahrung noch immer nicht ausreichend abschätzen. Die unerwünschten Wirkungen beschränken sich nicht nur auf relativ leicht feststellbare klinische Symptome oder laborchemisch messbare Abweichungen, sondern greifen auch auf die Leistungsfähigkeit und die psychische Verfassung im täglichen Leben, bei der Arbeit oder in der Schule über. Daher ist eine psychologische Begleitung und Untersuchung mittels Tests, Leistungs- und Verhaltensfragebögen, sowie Kontakte mit Familie, Schule- oder Arbeitswelt erforderlich, wenn eine langfristige Behandlung mit Antikonvulsiva erfolgt. Die langfristige Betreuung von Epilepsiepatienten ist auch eine sozialmedizinische und sozialpädiatrische Aufgabe, die gleichzeitig hohen neurologischen Sachverstand erfordert. Diese Forderung wird unterstrichen durch die Produktinformation über unerwünschte Ereignisse bei der Behandlung mit Topiramat, einem der effektivsten Antikonvulsiva, die Auswirkung auf die allgemeine Leistungsfähigkeit und psychische Verfassung steht im Vordergrund! Literatur:
- Bittigau P, Ikonomidou C (1997) Glutamate in neurologic diseases. J Child Neurol 12:471-485 - Bourgeois (1998) Antiepilepctic drugs, learning and behavior in childhood disability. - Bourgeois BFD (2000) Pharmacokinetic properties of current antiepileptic drugs. What improvements are needed? Neurology 55 (Suppl 3):S11-S16 - Glauser TA (2000) Expanding frst-line therapy options for children with partial seizures. - Glauser TA (2002) Integrating clinical trial data into clinical practice. - Gross-Selbeck G (2001) Derzeitige Behandlungsstrategien bei Anfällen und Epilepsien im Kindesalter. MonatsschrKinderheilkd 149:1174-1179 - Krämer G (1998) Epilepsie: Antworten auf die häufigsten Fragen. Trias, Thieme Stuttgart - Hufnagel A (2000) Epilepsien und ihre Therapie. Unimed Bremen. - Krämer G (1998) Epilepsie: Antworten auf die häufigsten Fragen. Trias, Thieme Stuttgart - Privitera MD (1999) Evidence-based Medicine and Antiepileptic Drugs. - Olsen RW, Avoli M (1997) GABA and epileptogenesis. Epilepsia 58:399-407 - Rating D (2001) Kurzer Abriss der Epilepsien und epileptischen Syndrome im Kindesalter - Schneble H, Ernst J-P (2001) Vademecum Antiepilepticum 2001/2002. Deutsche Sektion der Liga gegen Epilepsie Siemes H, Bourgeois BFD (2001) Anfälle und Epilepsien bei Kindern und Jugendlichen. Anhang Abbildung 1
Klinische Symptomatik in Abhängigkeit von der Topographie

Anhang Abbildung 2

Neurochemische Wirkmechanismen der Antikonvulsiva (aus Hufnagel 2000)

Source: http://www.kize.de/5-downloads/publikation35.pdf

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