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„Die Krise als Wendepunkt – Unsere Chancen in der Weltwirtschaftskrise“ „Stabilität ist die Voraussetzung für Dynamik – nicht umgekehrt!“ Prior P. Dr. Johannes Pausch, Kloster Gut Aich, St. Gilgen
Sehr geehrter Herr Landeshauptmann, Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen
Ich danke Ihnen für Ihre Einladung, heute zu Ihnen zu sprechen, vor allem mit der
Rückendeckung des geschätzten Bischofs Maximilian. Ich darf ihn als einen Lehrer
und Freund und Bruder bezeichnen. Es ist leichter, wenn man so einen Mann im
Rücken hat. Das gibt Stabilität und Stabilität ist die Voraussetzung für Dynamik.
Darüber möchte ich heute mit Ihnen meine Gedanken austauschen. Sie werden nicht
erwarten, dass ich die profunden Ausführungen meiner Vorredner wiederhole, oder
kommentiere – vieles kann ich unterschreiben, aber dazu bin ich nicht eingeladen.
Ich bin eingeladen, zu überlegen, wie Stabilität gelingen kann. In dieser Kirche, nicht
als Prediger, sondern als einer, der selbst als Unternehmer, als Prior eines Klosters
und als Kellermeister mitten drinnen steht. Ich tue das in einer Kirche, in der am
29.September 1683 Abraham a Sancta Clara, ein wortgewaltiger Prediger, über eine
tatsächliche Krise der damaligen Zeit von äußerster Instabilität und Unsicherheit
gesprochen hat. Nicht aus dieser Predigt, sondern aus einer anderen Predigt am
kaiserlichen Hof in Wien, als er sich über das skandalöse Benehmen der
Verantwortlichen des Staates mokierte, stammt der Satz: „Die hochmütigen
kaiserlichen Herrschaften, Damen und Herren, sind nicht einmal Wert, dass sie ein
Die kaiserliche Hoheit fühlte sich dadurch natürlich sehr belästigt und zitierte den
Hofprediger in das geheime Kabinett, um zu fordern, diese Bemerkung aufs
Ausdrücklichste zu revidieren. So beendete er die nächste Sonntagspredigt mit dem
Satz: „Die hochmütigen kaiserlichen Herrschaften sind es Wert, dass sie ein Hund
anbrunzt!“ Lassen Sie mich also noch ein paar Zitate dieses wirklichen
Krisenmanagers – denn das war er wirklich – heute bringen.
Was gibt uns in solchen Situationen wie diesen Stabilität? Mich erinnert das Wort
Krise an „Grießkoch“. Sie werden sich wundern warum. In Oberösterreich weiß man,
was „Grießkoch“ ist. Es ist ein Grießbrei, süß, pampig und meistens auch ein
bisschen angebrannt. Es erinnert mich an „Grießkoch“, weil viele Maßnahmen und
Kommentare zu der gegenwärtigen Krise mich an Grießbrei erinnern.
Ich war in einem Hospiz. Sie wissen, dort liegen sterbenskranke Menschen. Ich war
völlig überrascht, als ich durch den Gang schritt und den Duft von einem
„Schweinsbratl“ in der Nase hatte. In der kleinen Küche briet eine wirklich
barmherzige Schwester für einen Sterbenskranken, der mit der Quetschen vor ihr
gesessen ist und sie aufgeheitert hat, ein „Schweinsbratl“. Ich war etwas verwundert
und fragte sie: „Was gibt es denn heute zu Mittag?“ Da hat er gesagt: „A Bratl!“ Und
wie ich gesagt habe: „Warum?“, hat er darauf geantwortet: „In der Krise, in der ich
bin, habe ich genug an Grießkoch. Ich brauche wieder etwas zum Beißen.“
Eine Krise überwindet man eigentlich nur, wenn man wieder lernt zu beißen, zu
kauen und zu verdauen. Wir können keine Fastfood-Mentalität brauchen. Manchmal
erinnern mich unsere Impulse an diese Fastfood-Mentalität und sie erinnern mich an
Fehleinschätzungen. Der Herr Präsident möge mir verzeihen, auch seine Aussagen
sind zumindest zu hinterfragen, ob sie nicht vielleicht doch noch revidierbar wären,
denn die Krise ist ja auch etwas sehr Konstruktives, Herausforderndes. Vor allem ist
sie etwas, was uns hilft zu erkennen, wer wir wirklich sind und was wir sind. Und
dabei kommen wir um Enttäuschungen nicht herum. Stabilität gewinnen wir nicht mit
Lobhudeleien. Stabilität gewinnen wir nur durch Klarheit und Wahrheit und manchmal
auch durch Enttäuschungen. Darf ich eine oberösterreichische Kapuzinerbeichte
zitieren, in der eine Dame zum Kapuzinerpater zum Beichten gegangen ist und
sagte: „Pater, ich habe eine schwere Sünde, ich glaube wenigstens, ich bin eine
große Sünderin. Ich glaube, ich bin die schönste Frau der Stadt. Ist das eine große
Sünde?“ Da schaut der Kapuziner durch das Gitter hinaus und sagt: „Keine große
Vielleicht verstehen Sie was ich meine, wenn ich sage, wir sollten vielleicht auch zu
einer anderen Sprache wieder kommen im Bezug auf Krise, denn wir sollten uns
darum bemühen die Wahrheit zu erkennen, denn die Krise ist ja nicht jetzt
entstanden. Herr Präsident sagte, dass ist eine Entwicklung der letzten 15, 20 Jahre,
da sind wir in der Krise gewesen. Jetzt, da wir hoffentlich etwas erkennen, kommen
wir heraus. Ich sträube mich gegen die Stabilisierungsmaßnahmen, die allenthalben
kommen, ich nenne sie die „Post-Viagra-Maßnahmen“. Kennen Sie „Post-Viagra-
Maßnahmen“? Er kann nicht mehr, braucht Unterstützung und kauft sich im Versand
ein paar Pulverl, je mehr, desto besser und dann funktioniert es wieder. Das
funktioniert nicht mehr. Nach diesen auslaugenden, geistlosen und herzlosen
Unternehmungen der letzten fünfzehn Jahre werden wir nicht mehr mit einem reinen
Doping durchkommen, auch nicht mit einem Milliarden-Doping und - das wurde
schon angesprochen – wir sollten unser Gewicht reduzieren.
Unser Gewicht, mit dem wir unsere Gelenke, unser Herz, unseren gesamten
Organismus belasten. Vielleicht schleppen wir zu viel mit uns herum und Sie wissen
selber, wie instabil man wird, wenn man anstatt 75 kg, 125 kg auf die Waage bringt.
Da verlieren Sie total den Überblick. Sie sehen nicht einmal mehr das Gewicht auf
der Waage unten. Ich glaube, dass ist eine sehr banale Anweisung, die Stabilität
gibt. Wir sollten uns hin und wieder auf die Waage stellen und das Gewicht
überprüfen, das wir wirklich haben. Und das Gewicht, das unsere Äußerungen
haben, auch überprüfen und schauen, ob es gelingt, das Gewicht mit unserer
Die Übergewichtigen, die sterben normalerweise zwischen fünf und zehn Jahren
früher. Das gilt nicht nur für Menschen, sondern das gilt auch für andere
Organismen, für politische, soziale, im Übrigen auch für kirchliche Organismen. Wir
brauchen also wieder ein gutes Maß – das haben wir schon gehört. Aber was ist
dieses gute Maß? Das ist ja nicht Mittelmäßigkeit, sondern das ist etwas, was ich
wieder finden muss, das sich einpendeln muss. Das gute Maß zu finden ist nur
möglich, wenn ich stehe. „Stabilitas“, sagt der heilige Benedikt, kommt von Stehen.
Ich bedauere sehr, Ihnen heute Abend mitteilen zu müssen, Ihre Stabilität ist heute
nicht besonders groß. Wenn die Kirchenbänke weg wären, liegen Sie alle am Boden.
Wir verlassen uns heute auf die Kirchenbänke, morgen auf die Politik, übermorgen
auf die Wirtschaft und überübermorgen verlassen wir uns auf irgendeine
Versicherung und das wird es nicht spielen. Stabilität gelingt nur, wenn wir selbst
Darf ich noch einmal – ich würde es selbst nicht wagen – den Abraham a Sancta
Clara zitieren. Ich weiß nicht genau, ob dieses Zitat von ihm stammt, manche
schreiben es auch dem hochgeschätzten Martin Luther zu. Der sagte: „Einem
traurigen Arsch entfleucht nur selten ein fröhlicher Furz!“ Ich bitte Sie, meine sehr
verehrten Damen und Herren, darauf zu achten, dass wir vielleicht allzu sehr
vergessen, Freude auszustrahlen. Wir sind richtig Krisenevent-süchtig geworden.
Jeder redet von der Krise, sogar die oberösterreichische ÖVP redet von der Krise, -
wunderbar – und heute gibt es in Reichersberg ein Krisenevent. Was würden Sie tun,
Vielleicht ist das nicht einmal Ironie, aber wir sollten daran denken, dass unser
Lebensmanagement darin besteht, das Leben zu gestalten und das ist - glaube ich –
immer wieder ein Krisenmanagement. Wir brauchen eine innere Haltung. Wir haben
heute schon viele innere Haltungen bei den Vorrednern gehört und ich möchte sie
alle unterstützen. Wichtig ist die Freude, die uns hoffentlich nicht mangelt, dass wir
nicht in Gelächter ausbrechen, wie die Dummen, die sonst nichts tun können,
sondern die wirklich auch Freude daran haben, mit einem Misthaufen fertig zu
Ich darf das vielleicht noch einmal erzählen: Als ich mich entschied vor vielen Jahren
ins Kloster zu gehen, war das eine Katastrophe für meinen Großvater, weil ich als
Wirtssohn den Gastronomiebetrieb, eben ein Kirchenwirtshaus in Bayern,
Er hat alles Mögliche angewandt, um mich von diesem verrückten Plan abzubringen.
Als erstes hat er mir viel Geld geboten, aber wenn man jung ist hört man nicht auf
Großväter und 1968 wollte man sich nicht bestechen lassen. Dann hat er mir eine
fesche Hochzeiterin zugebracht, das hat auch nichts genützt. Warum? Das erzähle
Aber dann hat er mich in eine Krise gebracht, er hat mich am Sonntagvormittag in
den Erker unseres Wirtshauses gezogen. Er hat zu mir gesagt – und ich kann das,
glaube ich, hier im Innviertel bayerisch sagen: „Bua, schau einmal, wie saugrantig die
Leut’ ausschauen, wenn’s aus da Kircha rauskuman. Und dann schau einmal wie
fröhlich dass die Leute ausschaun, wenn’s bei uns heraus ausm Wirtshaus
herauskommen und dann entscheide Dich, bei welcher Firma Du arbeiten willst!“ Ich
möchte das der ÖVP in Oberösterreich ins Stammbuch schreiben.
Dass das nicht einfach ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, weiß ich auch.
Mir ist das Lachen auch in der Kirche vergangen. Da haben wir die Krise schon seit
Jahrhunderten. In der katholischen Kirche hat es noch nie ein Jahrhundert gegeben,
in dem es nicht eine Krise gegeben hat. Diese Kirche besteht immer noch und das ist
etwas sehr Tröstliches, wahrscheinlich deshalb, weil uns das Stabilität gibt, weil wir
wissen, wie man mit Mist umgeht – jetzt werden Sie sich wundern, ich zitiere jetzt
nicht mehr Abraham a Sancta Clara, sondern ein kleineres Kirchenlicht – und das
hätte ich jetzt nicht sagen sollen – den Bundeskanzler Faymann. Faymann hat vor
kurzem einmal gesagt: „Wir brauchen Demut, um diese Krise zu bewältigen!“ Was er
damit gemeint hat, weiß ich nicht. Ich hoffe nicht, dass er Buckelei und Falschheit
Ich als Benediktiner habe verstanden, dass er „humilitas“ gemeint hat. „humilitas“,
das lateinische Wort für Demut hat drei Säulen, die uns Stabilität geben, nämlich das
Wort „Homo“, Mensch sein und Mensch werden. Das Zweite ist „Humus“, Erde,
Wandlung, Bewegung und das Dritte ist „Humor“. Ohne diese drei Grundhaltungen
kann man keine Bewegung, keine Krise, kein Wachstum bewältigen. Wir sollten uns
Mein Großvater, wurde noch durch Prinzregent Luitpold von Bayern mit einem
königlichen Patent ausgezeichnet, für den schönsten Misthaufen der Oberpfalz. Was
wir tun im Moment, wenn wir in Krisen kommen, wir schaffen uns große Güllegruben
an. Ich darf in einem Bild reden: Wir schaffen uns Güllegruben an, um den Mist, der
produziert wird – auch die Luftblasen – abzuspeichern, abzufüllen, aufzubewahren.
Und jeder von uns weiß, wenn der Mist nicht in die Erde kommt, hat er seinen Sinn
verloren. Wenn die Abfallprodukte nicht in die Erde kommen, nicht nur die
materiellen, sondern auch die geistigen. Wenn die Fehlentwicklungen nicht in die
Erde kommen und verarbeitet werden, sondern nur irgendwo gelagert werden, wird
es keine Stabilität, weder in der Politik noch in der Gesellschaft, noch in der Kirche,
geben. Und da zeichnet sich eine Form besonders aus: Mit dem Misthaufen musst
du kreativ sein und mit dem Misthaufen musst du arbeiten. Du kannst ihn in kein
Museum stellen, sondern er muss in die Erde.
Das macht Arbeit. Das lateinische Wort für Arbeit heißt „laborare“ und die Lateiner
unter Ihnen werden wissen, es hat noch andere Bedeutungen. „laborare“ heißt krank
sein, aber auch gesund werden und arbeiten. Ich misstraue den Rednern über diese
Krise, die nicht davon reden, dass das harte Arbeit ist und dass eine Krise nur
dadurch bewältigt wird, dass wir in die Hände spucken und wirklich hart anpacken.
Aber das ist auch das, was uns eine große Chance gibt, uns persönlich zu entfalten.
Ich denke immer an meine Vorväter, die ein kaputtes Elternhaus, ein zerstörtes
Haus, ein zerstörtes Land, auch eine zerstörte Gesellschaft übernehmen mussten
und die durch diese Arbeit, durch dieses „laborare“ – und das hat nichts mit Hackerei
und Bucklerei zu tun, sondern mit konstruktiver Aufbauarbeit – geschafft haben,
etwas zu tun, was keiner für möglich gehalten hat.
Die Krise überwinden wir, sagen wir manchmal, durch Produktivität. Die
Voraussetzung für Produktivität aber ist Kreativität und das hat wieder etwas mit
Pfingsten zu tun, mit dem Kreator, mit dem Schöpfer, den wir brauchen. Vielleicht
klingt das, was der Herr Präsident Hundt gemeint hat, wenn er gesagt hat: „Wir
müssen wieder lernen, alle miteinander, lebenslang lernen, lernen miteinander, vor
allem miteinander zu arbeiten, nicht mehr gegeneinander und vor allem nicht mehr
nebeneinander. Das ödet an.“ Ich glaube, die größte Kreativität und Produktivität
entsteht dann, wenn Menschen in Frieden und mit Freude gemeinsam an etwas
arbeiten können, da macht die Arbeit Spaß. Daran müssen wir arbeiten, dass das
wieder geschieht und dass es nicht nur die Sehnsucht nach der Frühpensionierung
gibt, die ja eigentlich nichts anderes ist, als wie die Fahrkarte zum Friedhof.
Ich erlebe das an Menschen, die sagen: „Ich gehe jetzt in Pension und dann habe ich
die große Freiheit!“ Was tun sie? Sie bereiten sich durch Alzheimer auf den Ausstieg
vor. Deshalb meine ich eben, dass sinnvolle Arbeit lebenslang und vor allem
lebenslanges Lernen notwendig sind und uns Stabilität gibt. Vielleicht lernen wir
dabei, dass der Mensch nicht alles darf, was er kann. Und vor allem nicht alles das
darf, was er möchte, dass wir einmal Grenzen achten müssen, weil nur in der Grenze
eine Kreativität möglich ist, nicht in der Unbegrenztheit.
Wenn Sie einen Menschen total destabilisieren wollen, dann machen Sie ihm vor, es
gibt keine Grenzen – aber der Mensch kann nicht beliebig handeln, nicht beliebig
wachsen. Manche glauben das beim Essen, da gibt es keine Grenzen. Irgendwann
einmal zerplatzen sie. Wenn schon nicht den Bauch, so das Herz. Wir müssen
wieder lernen, Grenzen zu achten und Strukturen zu achten, um Freiheit zu
gewinnen. Denn nur innerhalb von Grenzen ist Freiheit möglich. Das haben wir
übersehen. Unbegrenzte Freiheit ist eine Lüge, die gibt es nicht. Denn diese Erde ist
Wir brauchen also wieder ein Maß und zwar Detailhandeln. Am Ende der heurigen
Ski-Saison hat ein österreichischer Skihersteller, der Entwicklungschef gesagt: „Wir
könnten noch viel schnellere Ski bauen, aber leider Gottes hält der Mensch das nicht
mehr aus!“ Wir könnten auch noch eine Zeit lang so „dahinwurschteln“, wie wir bisher
„dahingewurschtelt“ haben, aber leider hält das der Mensch und auch die Wirtschaft
nicht aus. Was aber kann ein Schlüssel sein? Wir wollen ja einen Schlüssel suchen.
Ich glaube, dass der Schlüssel für eine Entwicklung immer das Bewusstsein eines
„Wir“ ist. Trauen wir uns noch oder trauen wir uns nicht mehr, das ist die große
Frage. Dazu Mut zu machen wäre eigentlich der Sinn dieser Reichersberger
Gespräche, wenn ich das richtig verstehe. Wir reden häufig über die Entfremdung
des Menschen und Marx hatte vielleicht nicht so Unrecht, wenn er sagte: „Die größte
Qual des Menschen ist die Entfremdung von sich selbst und seinem Produkt.“ Aber
die schlimmere Entfremdung, die uns am meisten destabilisiert, ist die Entfremdung
von einem „Wir“, in einem Betrieb, in einer Schule, in einem Land, wenn wir nicht
mehr wissen, wer wir sind und was wir wollen.
Das Krisensymptom, das ich am meisten fürchte, ist Beziehungslosigkeit und
Beziehungsunfähigkeit, ist die Erfahrung, dass es das nicht mehr gibt, was wir ein
großes Wir nennen. Erstaunlich ist in meinen Seminaren, die ich immer wieder halte
- nicht nur für fromme Leute, sondern auch für Leute aus der Wirtschaft und das war
jetzt keine Freudsche Fehlleistung - da mache ich einen Test und ich frage sie: „Was
gibt Ihnen Kraft? Schreiben Sie zwei Dinge, die Ihnen Kraft geben auf einen kleinen
Zettel. Und auf einen zweiten schreiben Sie drauf, was Ihnen Kraft raubt.“. Und da ist
das Erstaunliche: Was ihnen Kraft gibt sind immer Beziehungen, in der Familie, im
Freundeskreis. Das sind unsere Kraftspender, auch am Arbeitsplatz. Die Krafträuber
sind immer die Erfahrungen von Beziehungslosigkeit oder der eigenen Unfähigkeit
Und deshalb würde ich gerne den Präsidenten Hundt ergänzen, in seinem „Mein-
Programm“, nämlich mit einem „Wir-Programm“. Mit einem „Wir-Programm“, das es
uns ermöglicht die Erkenntnisse, die wir durchs Studium lernen und durch Austausch
uns aneignen, auch in einem „Wir“, in einem größeren Ganzen zu aktivieren.
Lassen Sie mich noch einmal, weil wir hier so eine schwarze Gesellschaft sind, auf
den roten Bundeskanzler zurückkommen – Gott sei Dank sind wenigstens die
Pfingstrosen noch rot in Reichersberg, habe ich mir heute gedacht – auf das Wort
von der Demut, von der „humilitas“. Ich möchte gerne da diesen Aspekt der
Wandlung noch einmal aufgreifen. Wandlung ist die einzige Form, die uns Stabilität
gibt. Ich meine das nicht im religiösen Sinn, sondern in einem wirklichen Sinn.
Stabilität, die sich nicht wandelt, die sich nicht verändert, zerbricht, wird zum
Totengerippe. Ich habe das Gefühl, wenn wir nur rückwärtsgewandt vorwärts
stolpern und sagen: „Alles was gewesen ist, war ja eh gut. Wir müssen es nur ein
bisschen besser machen. Doch damit wird sich das nicht besser lösen lassen.“ Es
wird sich schon ein Wandlungsprozess ereignen müssen. Ein Wandlungsprozess,
der als ersten Schritt – und das sage ich als Mönch, als Benediktiner – die Reduktion
hat. Reduktion ist immer die Vorraussetzung für Gewinn. Ich meine jetzt Reduktion
nicht mit abschneiden, abkappen, sondern Reduktion gibt immer Freiräume. Wenn
Sie zwanzig Kilo zu viel auf die Waage bringen, hat das Herz keinen Platz mehr in
Ihnen und das Hirn wird immer kleiner, wenigstens proportional zu Ihrer
Die einzige Form, dass der Organismus wieder in Form kommt, ist die Reduktion auf
ein Maß, auf ein gutes Maß – mein Vorredner hat darauf hingewiesen. Dieses gute
Maß wieder zu finden ist eine Herausforderung und eine wirkliche Kraftanstrengung.
Warum? Das Zuviel fördert immer etwas, was die alten Mönchsväter die Todesangst
nannten. Die Menschen, die zuviel haben, wollen noch mehr und haben Angst etwas
zu verlieren und vor allem Angst zu sterben. Wir haben, je mehr wir anhäufen,
Ängste, vor allem, wenn wir zu viel materielle Dinge und zu wenig geistige Dinge
anhäufen. Wir müssen uns also wieder reduzieren auf ein Maß und das nannten die
alten Mönchsväter die „Ars moriendi“, die Kunst des Sterbens.
Die Kunst des Sterbens heißt nicht sich verzweifelt in den Sarg legen und hoffen,
dass der Müll entsorgt wird. Die Kunst des Sterbens heißt wandlungsfähig sein und
Abschied nehmen, auch noch in der letzten Stunde. Die Übermütigen, die
Hagestolzen werden das nicht begreifen, dass man sterben lernen muss und sterben
lassen lernen muss, von der ersten Sekunde des Lebens an. Die Mutter muss
lernen, das Kind zu lassen. Die Geburt ist wie der Tod und der ereignet sich
ununterbrochen. Wir sollten wieder diese Kunst des Sterbens lernen und dabei nicht
uns beunruhigen, weil jeder Prozess des Sterbens uns die Chance zu neuem Leben
Vor allem diese Todessüchtigen glauben, dass es den Himmel auf Erden gibt Das ist
eine der größten Illusionen, die es gibt, auch in der Kirche wird uns das manchmal
gesagt. Immer wieder heißt es, wenn die Leute das und das anders machen würden
und wenn wir das noch besser machen würden und wenn wir diese Struktur
erneuern würden, dann bekommen wir den Himmel auf Erden. Den gibt es nicht.
Diejenigen, die den Himmel auf Erden suchen, haben im Erdkundeunterricht nicht
aufgepasst. Wir können nur unser Leben kreativ, mutig und vertrauensvoll gestalten
und immer wieder versuchen, den Misthaufen, der sich links und rechts auftürmt, in
Das ist für mich die erste Form von Reduktion und dieses Reduzieren, das möchte
ich auch üben und möchte Ihnen auch das in diesen Tagen ans Herz legen, dass Sie
so souverän sind in Ihren Gesprächen miteinander, dass Sie sagen können: „Wir
werden uns nicht in den Krisensumpf hineinwühlen, sondern wir werden aus diesen
Krisensumpf etwas machen und wir werden lernen und gestalten.“ Ich bin sicher, es
müsste mit den Teufel zu gehen, wenn wir da nicht einige gute Pflanzen anbauen
könnten oder das wieder lebendig machen könnten.
Ich möchte Sie also ermutigen, nicht nur Jammerer zu werden, gescheite Analysten,
die immer schon alles besser gewusst haben. Die haben gewusst, dass, wenn die
Hose gestrichen voll ist, es zum Himmel stinkt – das weiß ich auch, das weiß jede
Mutter. Aber man darf in die Hose nicht noch etwas hineinschaufeln, das ist
ausgesprochen ungünstig. Wir werden also unsere gemeinsame Arbeit in Angriff
nehmen, dass wir nicht zu Getriebenen der Umstände werden, dass wir neue
Sichtweisen bekommen und dass es vielleicht klug ist, einen Fehler nicht öfter als
Das ist für mich immer die größte Erkenntnis aus der Krise, aus der persönlichen und
auch aus der wirtschaftlichen: Es reicht, wenn man einen Fehler zwei Mal macht. Ich
habe oft Bedenken, ob wir das verstehen. Wir brauchen nicht nur Weichspüler und
Waschlappen oder Scharfmacher, um dieses Problem zu lösen. Sondern wir
brauchen wirklich diese stabile Menschen, die sich hinstellen und sagen: „Ich packe
mit an, ich packe mit Euch das an!“ Diese Zuversicht, die brauchen wir, auch wenn
sich das oft überheblich anhört, auch wenn sich das zu einfach anhört, aber diese
Grundsatzfreude und Zuversicht, die möchte ich Ihnen gerne mitgeben.
Vor allem hoffe ich, dass das, was heute und morgen hier in Reichersberg geschieht,
praktisch ist. Ich will Ihnen das an einer kleinen Geschichte aus Oberösterreich – die
Quelle ist oberösterreichisch –erzählen. Ich habe einmal in einem großen Stift in
Oberösterreich Exerzitien gehalten, habe mich sehr genau darauf vorbereitet,
Bonaventura gelesen und Augustinus und lauter so Zeug. Da bin ich furchtbar
hineingefallen. Obwohl ich wirklich gescheite Sachen gemacht habe, ist die Hälfte
dieser hochwürdigen und ehrwürdigen Gesellschaft einfach eingeschlafen dabei. Es
hat mich sehr beunruhigt, weil ich mir gedacht habe: „Wie soll man da aus der Krise
herauskommen?“ Aber ich wusste es ja nicht, weil ich mich ja sehr bemüht hatte.
Und da kam nun ein alter, ehrwürdiger Mitbruder zum Gespräch, der während aller
Vorträge wirklich aufgepasst hat. Den habe ich gefragt: „Bitte sag mir, was hältst du
von meinen Vorträgen, was ist daran richtig, was ist falsch?“ Und er hat gesagt:
„Wunderbar, ich habe Thomas von Aquin noch nicht besser erklärt gehört wie jetzt –
Bonaventura, ausgezeichnet. Aber was nutzt mir das alles für meine geschwollenen
Also ich möchte gerne, dass diese Reichersberger Gespräche etwas für die
geschwollenen Füße der Oberösterreicher sind. Und ich bitte Sie, obwohl wir ja
gehört haben, die Krise neigt sich schon dem Ende zu: „Ja – es geht wieder
aufwärts“, hat die Maus gesagt, wie sie die Katze über die Stiege hinaufgetragen hat.
Das ist ja immer eine Frage, wie das Aufwärts zu verstehen ist. Es geht wieder
aufwärts. Aber ich möchte Sie um eines bitten: Lassen Sie sich weder durch
Hiobsbotschaften – ich habe heute noch nicht viele gehört, es sind keine, es sind
eher optimistische Ansichten – noch durch Freudenbotschaften entmutigen. Die
einen sagen: „Wir sind schon draußen, wir müssen was tun!“ Die anderen sagen:
„Wir sind noch drinnen, wir müssen auch was tun!“ Lassen Sie sich nicht entmutigen.
Diese Krise ist zu überwinden, wenn wir uns durch Botschaften, durch Worte nicht
erschüttern lassen in unserem konsequenten Handeln, Glauben und Vertrauen.
Die letzte Geschichte: Ein alter Bruder von mir hat sich zum Sterben hingelegt. Die
letzte Krise eines Menschen. Der Arzt im Krankenhaus sagte mir: „Pater Johannes,
Du musst ihm sagen, dass er heute stirbt, er hat es verdient, er ist noch ganz
glasklar. Wenn wir etwas tun wird er sterben, wenn wir nichts tun, wird er auch
sterben. Es geht zu Ende mit ihm!“ Ich war damals noch ganz jung, ich weiß nicht
genau, was ich ihm gesagt habe, aber ich habe seine Hand genommen, ihn
angeschaut und ihm gesagt: „Der Arzt meint, du wirst heute sterben!“ Dann schaut er
mich mit seinen glasklaren, sterbenden Augen an und sagt: „Johannes, das bringt
mich auch nicht um!“ Das ist mein letzter Wunsch an die Reichersberger Gespräche
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
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