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Rehabilitation suchtkranker Schwerverletzter: Diagnose und Behandlung von Suchterkrankungen Ute Lübbe, ReIntra GmbH
Ein Unfall hat sich ereignet. Wie geht das Leben des Verletzten weiter? Im günstigsten Fall erholt sich der Patient vollständig und kann sein Leben ohne Einschränkungen weiterführen. Nach schweren Unfällen ist ihm dies meist nicht mehr möglich. Nicht selten verläuft der Gesundungsprozess ungünstig, immer jedoch langwierig und komplex. Folgeschäden bleiben. Rehabilitative Maßnahmen tragen dazu bei, die Gesundheit des Unfallopfers weitgehend wiederherzustellen, zumindest aber spürbar zu verbessern. Ihr Erfolg hängt von vielen Einflüssen ab. Zum Beispiel von der Schwere der Verletzungen, von Vor- und Begleiterkrankungen, vom Alter des Unfallopfers, von seiner beruflichen Qualifikation und seinem sozialen Status, von einem durch den Unfall verursachten Tod von Angehörigen, nicht zuletzt aber vom Zeitpunkt der Rehabilitation. Ein besonders schwerwiegendes Hindernis für eine erfolgreiche Rehabilitation ist die Abhängigkeit des Unfallopfers von Alkohol, Medikamenten Wie sind Sucht und Abhängigkeit definiert?
Der Begriff Sucht ist nicht exakt und einheitlich definiert. Zwei große Diagnose- systeme haben sich in den letzten Jahren in der Psychiatrie etabliert. Vor allem im angelsächsischen Sprachraum wird häufig das DSM (Diagnostic and Statis- tical Manual of Mental Disorders) [1] zu Grunde gelegt. In Deutschland ist die von der Weltgesundheitsorganisation WHO herausgegebene ICD-10 (Internati- onal Classification of Diseases and Related Health Problems) [2] gebräuchlich, in der die diagnostischen Kriterien für sämtliche psychiatrischen Erkrankungen Nach ICD-10 wird zwischen Drogenmissbrauch und Drogenabhängigkeit differenziert. [3] Missbrauch bzw. schädlicher Gebrauch liegt laut Definition vor, wenn der wiederholte Gebrauch einer Substanz über die Dauer mindestens eines Monats bzw. wiederholt in den letzten zwölf Monaten zu körperlichen und/oder psychischen Schäden geführt hat, die sich eindeutig bezeichnen las- sen. Unter diese Kategorie fallen Verhaltensänderungen, die zu einer negativen Gestaltung zwischenmenschlicher Kontakte führen. Süchte werden unterschieden in so genannte substanz- bzw. stoffgebundene Süchte (Alkohol, Nikotin, Koffein, Medikamente, Drogen) und nicht-substanz- bzw. nicht-stoffgebundene Süchte (Essstörungen, Spielsucht, Kaufsucht, Workaholic). Da der Begriff Sucht sehr unspezifisch ist, wurden substanz- bzw. stoffgebundene Süchte durch den Begriff Abhängigkeit ersetzt. Abhängigkeit kennzeichnet das gleichzeitige Auftreten von mindestens drei der folgenden Kriterien über einen Zeitraum von einem Monat bzw. wechselnd innerhalb eines Jahres. Zu diesen Kriterien zählen das starke Verlangen oder der Zwang, eine Substanz zu konsumieren, sowie eine verminderte Kontrolle über den Ge- brauch. Die abhängige Person kann die konsumierte Menge der Substanz nicht mehr richtig einschätzen. Ein weiteres Merkmal ist die Toleranzentwicklung. Um die gewünschte Wirkung zu erleben, werden immer größere Mengen be- nötigt. Wird das Suchtmittel dagegen reduziert, stellt sich ein Entzugssyndrom ein. Charakteristisch ist zudem, dass der Betroffene seine Verhaltensweisen auf den Gebrauch des Suchtmittels beschränkt und Interessen, Hobbys und soziale Kontakte vernachlässigt. Schließlich führt er sich das Suchtmittel weiter zu, obwohl ihm die schädlichen Auswirkungen bekannt und bewusst sind. Jede Sucht durchläuft den Prozess Erfahrung – Wiederholung – Gewöhnung Einige Suchtmittel entwickeln vorwiegend psychische Abhängigkeit, etwa Ko- kain. Andere Suchtmittel wie Morphin, Barbiturate oder Alkohol haben zudem physische Abhängigkeit und damit körperliche Entzugssyndrome zur Folge.
Bei der Betrachtung von Abhängigkeit und Sucht müssen folgende Faktoren der Mensch (prämorbide Persönlichkeit, Erblichkeit, frühkindliches Milieu, sexuelle Entwicklung, aktuelle Stresssituation, Erwartungshaltung) das Mittel (Art der Applikation, Dosis, Dauer, Toleranzentwicklung, individuel das Milieu (familiäre Situation, Beruf, Wirtschaftslage, sozialer Status und der Markt (Verfügbarkeit, Einstellung zur Droge, Einflüsse von Werbung und Zahlen und Fakten
Abhängigkeitserkrankungen lassen sich einerseits schwer einschätzen und greifen; die Dunkelziffer ist hoch. Andererseits verursachen sie hohen volks- wirtschaftlichen Schaden. Zahlenmäßig übertreffen die durch legale Substanzen wie Alkohol und Nikotin verursachten Abhängigkeitserkrankungen weit die durch illegale Drogen hervorgerufenen, auch wenn letztere vor allem durch die Veröffentlichung der hohen Zahl an Drogentoten, aber auch durch Berichte über die zunehmende Verbreitung von Designerdrogen wie Ecstasy die Aufmerk- Das Bundesministerium für Gesundheit veröffentlichte für das Jahr 2000 bezüglich Alkoholkonsum und Folgeschäden für die Bundesrepublik folgende Zahlen: [5] In Deutschland sind etwa 1,5 Millionen Menschen – also 2,4 Prozent der Bevölkerung – akut alkoholabhängig; Alkohol missbrauchen 2,7 Millionen Menschen – also vier Prozent der Bevölkerung. Zählt man all diese Menschen zusammen und fügt noch jene hinzu, die zumindest einen schädlichen Ge- brauch von Alkohol machen, weil sie täglich mehr als die noch vertretbare Alkoholhöchstmenge von 40 Gramm für Männer und 20 Gramm für Frauen zu sich nehmen, so kommt man auf die erschreckende Zahl von acht Millionen Menschen, die mit dieser legalen Droge auf riskante Weise umgehen. Das sind zwölf Prozent der Bevölkerung. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. gibt für die Bundesrepublik Deutschland die Zahl derjenigen, die schädlichen Gebrauch machen, sogar mit 9,3 Millionen Menschen an. [6] Langfristig kann daraus ein enormer gesundheitlicher, sozialer und volkswirtschaftlicher Schaden Werden zu jedem Alkoholkranken im Durchschnitt mindestens drei Angehörige gezählt, kommt man in Deutschland auf eine Zahl von 12,75 Millionen Angehö- rigen, die von den Auswirkungen einer Suchterkrankung bzw. Suchtgefährdung 238 000 Straftaten – also sieben Prozent aller Straftaten – werden jährlich unter Alkoholeinfluss begangen. Trunkenheit spielt bei 60 Prozent der jährlich 150 000 Menschen eine Rolle, die wegen Straftaten im Straßenverkehr verurteilt wer- den. Bei jährlich rund 33 000 Verkehrsunfällen mit Personenschaden ist Alkohol im Spiel. Und etwa 1 500 Menschen sterben bei Verkehrsunfällen, bei denen Arbeitsunfähigkeit und Invalidität wegen Alkoholabhängigkeit bzw. Alkoholpsy- chose werden in etwa 92 000 Fällen pro Jahr festgestellt; zur Frühberentung kommt es dadurch etwa in 6 500 Fällen. Darüber hinaus sterben jährlich 42 000 Personen an den direkten oder indirekten Folgen von Alkohol.
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. beziffert die Kosten, die jährlich durch alkoholbezogene Krankheiten entstehen, mit ca. 20,6 Mrd. Euro. [7] Was illegale Drogen angeht, berichtet die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V., dass im Jahr 2002 etwa 6,5 Prozent der Westdeutschen und 5,2 Prozent der Ostdeutschen illegale Drogen konsumiert haben. [8] Wie entsteht eine Suchterkrankung?
Die Entstehung einer Suchterkrankung ist komplex und hängt von vielen Faktoren ab. Eine große Rolle spielen dabei das Suchtmittel selbst, die Per- sönlichkeit des Betroffenen, sein soziales Umfeld sowie Vorerkrankungen, wie z.B. psychischen Erkrankungen. Neben Herkunftsfamilie und Freundeskreis wirkt sich auch die Berufs- und Arbeitssituation stark auf die Entwicklung einer Suchterkrankung aus. Nach Singer und Teyssen [9] gibt es Berufsgruppen mit einer besonderen Alkoholgefährdung. Dazu zählen Berufstätige in alkoholnahen Berufen (Produktion und/oder Vertrieb von Alkohol), Durstberufen (Bau- und Metallberufe) und Kontaktberufen (Vertreter, Journalisten) sowie Unternehmer und Freiberufler. Auch besondere berufliche Belastungssituationen (Schicht- arbeit, Stress) erhöhen das Risiko für die Entstehung einer Suchterkrankung. Weiterhin ist belegt, dass eine angespannte finanzielle Situation mit krisenhaf- tem Charakter und vor allem auch Wohnungslosigkeit eng mit der Entstehung und/oder Aufrechterhaltung einer Suchterkrankung korrelieren.
Nach den Erkenntnissen britischer Genetiker beeinflusst auch die genetische Ausstattung des Menschen maßgeblich den Konsum von Alkohol und anderen Drogen. So fanden Forscher heraus, dass der Dopamin-D2-Rezeptor (DRD2) im Gehirn an der Entstehung jener Glücksgefühle beteiligt ist, die beim Konsum zahlreicher Drogen wie Kokain und Alkohol ausgeschüttet werden. Träger be- stimmter DRD2-Varianten sollen demnach stärker zum Drogenkonsum neigen Der Konsum von Suchtmitteln verkürzt die durchschnittliche Lebenserwartung, wobei vor allem suchtmittel-assoziierte Erkrankungen dafür verantwortlich sind. Beispielhaft seien hier die häufigsten Todesursachen bei Alkoholabhängigen genannt, die sich nach Geschlechtern unterscheiden. [11] Singer und Teyssen nennen für Männer und Frauen an erster Stelle die alkoholische Leberzirrho- se. Bei den Männern folgen ischämische Herzerkrankungen und Tumoren des oberen Verdauungstraktes sowie der Lunge. Bei den Frauen folgt Selbstmord mit immerhin 15,4 Prozent. Insgesamt gesehen ist die Suizidrate für alle Such- terkrankungen ziemlich hoch, insbesondere dann, wenn die Suchterkrankung gemeinsam mit einer depressiven Erkrankung oder einer anderen psychischen
Wie wird eine Suchterkrankung diagnostiziert?
Suchterkrankungen werden durch ärztliche Erfahrung erkannt. Erste Hinweise auf missbräuchlichen Alkoholkonsum geben spezielle Tests. [12]. Zu nennen sind der Lübecker Alkoholabhängigkeit- und Alkoholmissbrauch-Screening- Test (LAST; Rumpf et al., 1997) und die Internationalen Diagnosen-Checklisten (IDCL), die eine ökonomische Abfrage der Kriterien von Abhängigkeit und Miss- brauch ermöglichen (Hiller, Zaudig und Mombour, 1997). Ein weiteres Verfahren speziell für den Einsatz in Arztpraxen ist die Primary Care Evaluation of Mental Disorders (PRIME-MD) in der deutschen Version, die jedoch nicht zwischen Abhängigkeit und Missbrauch unterscheidet.
Darüber hinaus gibt es verschiedene Testverfahren, um den aktuellen oder zurückliegenden Konsum einer Substanz nachzuweisen. Am bekannteste ist der Alkoholtest aus der Atemluft, das sog. „Pusten ins Röhrchen“; der dabei ermittelte Wert entspricht mittlerweile gut dem des Blutalkoholtests. Die meisten Medikamente und Drogen können mittels Testverfahren im Urin nachgewiesen werden. In welchem Zeitrahmen der Nachweis gelingt, hängt jeweils von der Halbwertzeit der zu messenden Substanz ab. Als Marker gelten auch Veränderungen infolge erhöhten Alkoholkonsums wie die Zunahme von Gammaglutamyltransferase (Enzym, das auf eine Schädigung des Lebergewe- bes hinweist) und des mittleren zellulären Erythrozytenvolumens (MCV). Diese beiden Marker zusammen geben Auskunft über ein chronisches Trinkverhalten. Eine weitere und relativ neue Methode, einen erhöhten Alkoholkonsum in den letzten zwei bis sechs Wochen nachzuweisen, stellt die Bestimmung des Carbohydrat-defizitären Transferrins (CDT) dar, bei dem ein speziell verändertes Plasmaprotein nachgewiesen wird. Dieser Marker wird vor allem für die Absti- nenzkontrolle bei der Entwöhnungsbehandlung eingesetzt. Ansonsten ist der Nachweis spezifischer Erkrankungen im Zusammenhang mit einem vermuteten Substanzgebrauch als Marker zu betrachten.
Parameter
Nachweisbarkeit im Urin
(Heroin, Morphin, Kodein, Opium) Stimulanzien Ein Drogen-Screening weist nach, ob Suchtmittel konsumiert wurden. Es gibt verschiedene Testverfahren. Das zu untersuchende Material wird dem Blut oder Urin entnommen, seltener den Haaren (Haarwurzeltest). Im Urin lässt sich ein Drogengebrauch länger nachweisen. Die Zeiträume der Nachweisbarkeit sind Wie wird eine Suchterkrankung therapiert?
Auf Grund der hohen Komplexität der Erkrankung und der sie bedingenden Ur- sachen gehört die Behandlung in die Hand eines Facharztes, eines Psychiaters Zu Beginn der Behandlung und vor allem bei Verdacht auf schädlichen Gebrauch steht häufig eine Kurzintervention, die folgende Kriterien erfüllen sollte: Feed- back (Rückmeldung), Responsibility (Eigenverantwortung), Advice (Ratschlag), Menu (Angebot verschiedener Behandlungsmöglichkeiten), Empathy (Einfüh- lung) und Self-Efficacy (Vertrauen in das eigene Wirken): FRAMES. [13] Diese Intervention sollte nicht unterschätzt werden, veranlasst sie doch bis zu 50 Prozent der Patienten, ihren Alkoholkonsum zumindest zu reduzieren.
Bei Abhängigkeit sind weitere Schritte vonnöten. Wienberg stellt die Sucht- behandlung, analog den ursächlichen Feldern, als ein Dreieck dar mit den Komponenten süchtiges Individuum, soziales Umfeld und Art der Droge. [14] Dem Bereich des Individuums ist die klassische Trias von Beratungsstellen, Fachkliniken und Selbsthilfegruppen zuzurechnen. Ziel ist es, das Verhalten des Betroffenen zu verändern. Hier kommen vor allem verhaltenstherapeuti- sche, systemisch-familientherapeutische und analytisch-tiefenpsychologische Verfahren zur Anwendung. Was das soziale Umfeld angeht, zielt die Interven- tion hauptsächlich auf die Folge- und Begleitprobleme der Suchterkrankten ab: Unterhalt, Arbeit, Beschäftigung, Wohnung, familiäre Probleme, Straffälligkeit. Der dritte Eckpunkt bezieht sich auf die körperlichen Aspekte der Abhängigkeit sowie Begleit- und Folgeerkrankungen – alles, was primär eine medizinische Zunächst ist es wichtig, eine Abhängigkeitserkrankung überhaupt wahrzuneh- men und anzusprechen, etwa im familiären Umfeld, im Freundeskreis, von Seiten des Hausarztes, am Arbeitsplatz. Die Erkrankung muss ans Licht geholt werden, und dem Betroffenen muss Hilfe angeboten werden. Der nächste Schritt sollte sowohl zu einem Facharzt führen, der alles medizinisch Notwen- dige veranlassen wird, als auch zu einer der zahlreichen Suchtberatungsstel- len, die sowohl im kirchlichen Verbund als auch bei den Gesundheitsämtern angesiedelt sind. Diese Stellen übernehmen im weiteren Verlauf eine Lotsen- funktion. Die Betroffenen selbst sowie die Angehörigen werden dort langfristig begleitet und über sämtliche Behandlungsangebote in der Region informiert.
Am Anfang der Behandlung steht die Entgiftung, die stationär in einem psychi- atrischen Krankenhaus mit Suchtabteilung durchgeführt werden sollte. Sie kann je nach Ausprägung des Entzugssyndroms etwa zwei bis vier Wochen dauern. Wichtig ist dabei sowohl die medizinische Überwachung des Entzugssyndroms wie auch die Bestandsaufnahme der gegenwärtigen gesundheitlichen Situati- on (Folgeschäden, begleitende psychische und psychiatrische Erkrankungen). Die Einweisung erfolgt in den meisten Fällen über einen niedergelassenen Facharzt. Auf der Entgiftungsstation beginnt bereits die Information über die Suchterkrankung und ihre Folgen sowie die Motivation zur weiterführenden Behandlung. Die Kosten für die Entgiftung werden gewöhnlich von den Kran- An eine stationäre Entgiftung sollte eine Entwöhnungsbehandlung anschlie- ßen. Sie wird oft als Langzeittherapie bezeichnet und kann beim zuständigen Rentenversicherungsträger beantragt werden. Diese Behandlung schließt bestenfalls nahtlos an die Entgiftung an und dauert je nach Schweregrad der Erkrankung und konsumiertem Suchtmittel zwischen sechs Wochen (leichtere Erkrankung, Alkohol) und zwölf Monaten (Drogenabhängigkeit, insbesondere Polytoxikomanie). Die Behandlung findet in speziellen Suchtfachkliniken statt und hat eine langfristige Verhaltensänderung und die Herausbildung einer stabilisierten Persönlichkeit zum Ziel, beispielsweise werden neue Strategien zur Problembewältigung erarbeitet. An „Wochenenden für Angehörige“ wird auch die Familie eingebunden. Mit Blick auf die berufliche Wiedereingliederung werden erste Kontakte mit dem Arbeitgeber geknüpft.
Im Anschluss an die Entwöhnungsbehandlung ist eine weitere fachärztliche Begleitung sinnvoll. Entweder erfolgt eine Nachbehandlung der assoziierten psychischen Erkrankung oder aber eine Behandlung mittels Medikamenten zur Rückfallprophylaxe. Für die Prophylaxe eines Alkoholrückfalls sind in Deutsch- land die beiden Wirkstoffe Acamprosat und Disulfiram zugelassen. Acamprosat ähnelt Botenstoffen im Gehirn, die dafür sorgen, dass das Verlangen nach Alkohol sinkt. Disulfiram soll einen Rückfall dadurch verhindern, dass es in Ver- bindung mit Alkohol zu unangenehmen Reaktionen wie Hautrötung im Gesicht, Übelkeit und Erbrechen kommt. Beide Substanzen dürfen nur unter strenger ärztlicher Kontrolle und eingebettet in ein sozio-therapeutisches Gesamtkonzept verordnet werden. Zudem ist die regelmäßige Teilnahme an einer Selbsthilfe- gruppe empfehlenswert. Bei Verlust des Führerscheins infolge der Erkrankung dokumentiert der regelmäßige Besuch dieser Gruppe neben regelmäßigen Leberwertkontrollen gleichzeitig die Abstinenz für die vom Gesetzgeber vorge- schriebene medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) zur Wiedererlan- gung der Fahrerlaubnis. Im Rahmen der Selbsthilfe werden überdies spezielle Gruppen für Angehörige, in erster Linie für Partner und Kinder, angeboten.
Eine Besonderheit der Behandlung von Drogenabhängigkeit stellen zunehmend so genannte niederschwellige Angebote dar. Der Weg des früher praktizierten „kalten Entzuges“ à la Christiane F., bekannt aus „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, wurde längst verlassen. Bei Drogenabhängigkeit vom Morphintyp erfolgt im Rahmen der Entgiftung häufig eine vorübergehende Substitution mit Metha- Drogenabhängige, die unter besonders schweren Folgeerkrankungen wie Hepatitis B oder C und HIV-Infektionen leiden und bei denen Therapieversuche bisher fehlschlugen, können seit einigen Jahren ins Methadon-Programm auf- genommen werden. Es sieht die kontrollierte Abgabe des Heroinersatzstoffes Methadon von dafür zugelassenen Ambulanzen oder besonders geschulten Ärzten vor. Unter der Wirkung von Methadon ist es möglich, die medizinische und soziale Situation zu verbessern, so dass etwa ein Weg aus der Obdachlo- sigkeit oder gar zurück ins Berufsleben offen steht. Um die Folgen der Hero- inabhängigkeit zu mildern, wurden in den letzten Jahren vielerorts Spritzen- automaten aufgehängt oder „Druckräume“ eingerichtet. Dadurch konnte das Infektionsrisiko deutlich reduziert werden.
Für Menschen, die auf Grund ihrer Abhängigkeit straffällig werden – sei es im Rahmen der Beschaffungskriminalität oder seien es Straftaten im Alkohol- oder Drogenrausch –, sieht der Gesetzgeber die Möglichkeit der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB vor.
Die Abhängigkeit von Alkohol, Medikamenten und Drogen stellt für den Be- troffenen wie für die Gesellschaft ein großes gesundheitliches und finanzielles Risiko dar. Kommen bei Abhängigen zusätzliche Lebensereignisse wie ein schwerer Unfall hinzu, ist es für den Erfolg der Rehabilitation ausschlaggebend, die Suchterkrankung zu erkennen und frühzeitig mitzubehandeln. Ohne diesen Schritt ist jegliche Form der beruflichen Wiedereingliederung zum Scheitern verurteilt. Ein Unfall kann aber auch Auslöser für die Abhängigkeit von Alkohol und Drogen sein. Auch in diesem Fall gilt es, die Symptome rechtzeitig wahrzu- nehmen und entsprechende medizinische und psychologische Maßnahmen zu Das Ärzte- und Berufskundler-Team von ReIntra kann im Rahmen eines mul- tidimensionalen Assessments die Probleme eines Verunfallten erfassen und gezielt Maßnahmen in die Wege leiten, die für neue Lebensperspektiven und eine berufliche Wiedereingliederung unabdingbar sind.
Referenzen
[1] Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders – Fourth Edition (DSM-IV), published by the American Psychiatric Association, Washington [2] International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, Tenth Revision, Version for 2003.
[3] Internationale Klassifikation psychischer Störungen, ICD-10 Kapitel V (F), Diagnostische Kriterien für Forschung und Praxis, Bern 2004, S. 77 f.
[4] http://www.stangl-taller.at/ARBEITSBLAETTER/SUCHT/.
[5] http://www.blaues-kreuz.de/bkd/sucht/su_zahln.htm.
[6] http://www.optiserver.de/dhs/daten_zahlen_alkohol.html, August 2005. [7] http://www.optiserver.de/dhs/daten_zahlen_alkohol.html, August 2005.
[8] http://www.optiserver.de/dhs/daten_zahlen_drogen.html, August 2005.
[9] Manfred V. Singer, Stephan Teyssen (Hrsg.), Kompendium Alkohol: Folgekrankheiten – Klinik, Diagnostik, Therapie, Berlin 2002, S. 28 f.
[10] http://aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=19570.
[11] Manfred V. Singer, Stephan Teyssen (Hrsg.), Kompendium Alkohol: Folgekrankheiten – Klinik, Diagnostik, Therapie, Berlin 2002, S. 35.
[12] AWMF-Leitlinien-Register, Nr. 076/003, zitierbare Quelle: Sucht 50 (2), [13] AWMF-Leitlinien-Register, Nr. 076/003, zitierbare Quelle: Sucht 50 (2), [14] Günther Wienberg in: Karl Mann (Hrsg.), Neue Therapieansätze bei Alkoholproblemen, Lengerich 2002, S. 27-29.

Source: http://www.reintra.de/downloads/luebbe.pdf

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