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Wolfgang Rihm –
deR komponist und sein sendeR
Zuschreibung mehr als nur voreilig war. Zu äußersten pianoregionen und die nahtlosen vielfältig, zu ausdifferenziert ist seine musi- übergänge sind bis heute die musikalischen für neue ideen und ästhetische linien, und laus, aufgeregte buhrufe: Verklungen ist kalische Weltsicht, als dass diese sich auf soeben mit „morphonie“ die komposition ein einzelnes phänomen reduzieren ließe. sik geblieben. gern agiert er in extremen eines jungen komponisten, die die bis dahin Zonen – getreu seines diktums: „das un- aseptische neue musik-Welt in hel e aufre- ten mit so vielen unterschiedlichen gesich- maß ist die kleinste maßeinheit der phan- der komponist und „sein“ sender: diese gung versetzte. es ist zugleich die geburts- bilaterale beziehung ist im musikgeschäft genen, zugleich aber immer auch bei sich keine geläufige konfiguration. da kennt der musikwelt und der beginn einer äußerst begleiter, ermöglicher und multiplikator auf man schon eher „der komponist und sein doxien, die sich wie eine konstante durch dem Weg seither waren und sind die musik- Verlag“ oder „der komponist und sein in- terpret“, bestenfal s noch „sein“ hörer. stalt. der, der gerührt und überrascht zu- gleich den beifal entgegennimmt, ist ein „morphonie“ war der erste kompositions- und großer ausstrahlung: Wolfgang rihm. kalensemble stuttgart und das freiburger er hatte sich soeben erlaubt, „ich“ zu sa- erteilte. der sender war damit der maßgeb- liche Wegbereiter für eine außergewöhn- deshalb besonders stark ausgeprägt, weil großer ausdruckskraft das damals schier liche komponistenkarriere. Waren 1974 die on wird die kenner überraschen, gilt doch sich die Zusammenarbeit in ihren ursprüng- unmögliche zuzulassen: emotionen und af- en gleich auf zwei sendeanstalten zurück- der unmut 1976 bei der uraufführung der nist, der sich den neuen medien und ihren führen lässt: den früheren sdr und den donaueschinger musiktagen. „musik muss zweiten auftragskomposition des senders, vol er emotionen sein, die emotion vol er „sub-kontur“, keine grenzen mehr. ein kri- genteil: seine ästhetik wurzelt zutiefst in es ist hier nicht der ort, al e Werke, die komplexität“, schrieb der damals 22-jäh- tiker meinte gar, seine frustration nur mit- der deutsch-österreichischen, klassisch-ro- tels alkohol auflösen zu können. der chef- wurden, aufzulisten. beispielhaft erwähnt heft. das war ein sakrileg und sol te noch musikkritiker der „Zeit“ schrieb seinerzeit: „fast eine halbe stunde lang dröhnende „1. doppelgesang“ aus dem jahre 1980, Wirbel auf vier pauken, fettes blechbläser- re markante seite der geradezu universel- fagotten und sich aufplusternde munterkeit. len persönlichkeit des karlsruher künstlers te und meinte, eine „gefahrvol e neigung ein fäkalienstück. da hilft nur anschließend herauszustel en. mit seiner tätigkeit als Vor- zum pathos“ ausfindig gemacht zu haben. ein schnaps.“ eben diese eruptionen, die- führung von „klangbeschreibung“ i bis iii se farbkonstel ationen, diese großen lini- talstudios offenbart er sich als weitsichti- in donaueschingen, deren körperlichkeit phasen bis hin zur feldman’schen reduk- en und weiten bögen, diese harten brüche ger förderer der elektronischen musik und nachdrücklich Wolfgang rihms Qualitäten tion seither verfolgt hat, weiß, dass diese von lärmigen klangmassierungen bis hin zu darüber hinaus der jüngeren und jüngsten als klangskulpteur untermauern. musik als klangrede verdichtet sich hier in großer ein- finden muss die komposition für gemisch- zu lesen: „ich handle nach der intuition und dringlichkeit zu klangmassierungen von fast sehr subjektiv. ich schaffe aus keiner histo- de. ein „work in progress“ sind nicht nur haptischer Qualität. „musik als plastik“ oder assoziationsreichen titel „raum-auge“ aus rischen notwendigkeit, sondern ich schaf- „musik als sprache“: diese beiden an sich fe die musik, die ich schaffen möchte. und semble stuttgart unter rupert huber urauf- wenn ich dabei in bereiche gelange, die mir geführt wurde, oder das gewaltige poème vorher mit meinen möglichkeiten nicht er- ten. auf weitere spannende überraschung- sich gerade in obengenannten stücken zu dansé „tutuguri“, das im jahre 2002 im reichbar waren, freue ich mich, dass ich da en in der Zukunft sind unsere redaktionen einer neuen eigenständigen Qualität, die in dieser form keine Vorbilder kennt, auf jeden he „attacca“ mit dem radio-sinfonieor- fal aber zu einer neuen Vorstel ung von mu- Vokalensemble stuttgart in seiner gesamt- bei al er Vielfalt seines ausdruckswil ens: heit zur aufführung kam. erstmals wurde „gemäßigt“ sind Wolfgang rihms äußerun- eschingen. „der da“, flüsterte meine frau bei der uraufführung 1987 in donauesching- gen, seien sie sprachlicher oder musikali- mir zu, „ist ein komponist“. inzwischen ver- en dirigierte michael gielen wie auch zwei ner infernalen und rituel en kraft beeindru- scher art, nie. schon gar nicht dann, wenn jahre später bei „frau / stimme“ am gleichen ckende Werk mit orchester, live-chor und es sich um vegetativ fortzeugende Zyklen schichte, die natürlich mit den musiktagen, tanz auch szenisch realisiert. Zahl os sind handelt, die aus einer inspirationsquel e jene Werke von Wolfgang rihm, die in der sprießen. dazu zählt der „séraphin“-Zyklus, der gemeinsamen arbeit für das experimen- für Wolfgang rihm immer ein wichtiger be- dessen urahn rihms „Étude pour séraphin“ talstudio zu tun hat. aber auch mit wunder- zugspunkt. 1998 führte er dort die besu- cher des festivals mit „styx und lethe“ in liche hintergrund reicht freilich noch wei- sprächen, guten Zigarren (früher!), Wein den hades – ein thema, das er 2010 bei ter zurück in die 1970er jahre. in jener Zeit gang rihm mit seiner sprachgewalt und sei- steht W.r. sehr viel!). dankbar bin ich Wolf- nem feinen sinn für das gesprochene und dankenwelt des französischen surrealisten gang rihm auch dafür, dass er immer auch aufgriff, als er für dieses festival mit „pro- antonin artaud auseinanderzusetzen. sein Verständnis zeigte für die ökonomischen serpina“ eine oper vorlegte. ihr stoff ver- ner gesprächspartner. es ist höchstes Ver- „théâtre de séraphin“ und andere seiner bedingungen einer rundfunkanstalt. nicht weist auf die von pluto geraubte und in die gnügen, seinen gedankensträngen zu fol- visionären theatertexte haben den karlsru- selten erwähnte er anerkennend, fast be- unterwelt entführte proserpina, als meta- gen, die er (wenn nötig) ad hoc entwickelt her komponisten seither immer wieder ins- wundernd, „wie viel dieser sWr doch im- pher für klage und anklage einer enttäusch- und kreativ wuchern lässt, dabei gelegent- piriert. daraus hat sich ein weit verzweigtes mer noch für die musik tut“. recht hat er ten und von den männern verratenen frau.
lich auch eine eigene syntax und semantik „work in progress“ entwickelt, dessen vor- und das hoffentlich noch länger, auch dank nicht scheuend. seine essays sind höchs- läufiger höhepunkt im vergangenen herbst seiner eigenen tatkräftigen mithilfe in stif- te kunst und geistiger genuss pur. je in- in donaueschingen mit einem abendfül en- tungsgremien. er und der „erzengel micha- eschingen sind podien für rihms musik in- tensiver man sich in seine schriften vertieft, den Werk für ensemble und orchester vor- desto deutlicher tritt vor auge, dass er so gestel t wurde. das resultat war ein gro- zertreihen und musiksendungen sind seine wie in seiner musik auch in seinen schrif- ßes klangtheater, in dem die rihm‘sche bernhard hermann
ten verfährt. in einem seiner interviews ist praxis der übermalungen und überschrei-

Source: http://www1.karlsruhe.de/Kultur/EKT/EKT2012/media/docs/essays/Der_Komponist_und_sein_Sender-Bernhard_Hermann.pdf

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